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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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sagte, wenn das schmerzerfüllte Stöhnen mal abbrach, waren für Polly eine Offenbarung – sie hatte gar nicht geahnt, dass solche Worte auf eine so lange Geschichte zurückblickten! Rasch duckte sie sich unter das Vorzelt des Wagens und packte den Essenssack, der neben dem schnarchenden Mellor stand. Als sie wieder hervortrat, sah sie, dass Berthold sich wieder auf die Knie aufgerichtet hatte, aber mit dem Gesicht noch am Boden lag, während er weiter die Hoden umklammert hielt.
    »Es tut mir Leid. Ich muss jetzt fort«, sagte Polly leise, wandte sich ab und ging in die Nacht hinaus.
    Das Gras war schon feucht vom Tau, und Pollys Atem stand als Nebel in der Luft. Wenig später erreichte sie die Bäume, drehte sich um und blickte zurück. Das Jagdhaus des Königs wirkte warm und einladend mit dem Licht, das durch die Fenster fiel, und dem Rauch, der aus den Schornsteinen quoll; so wirkte auch das Lager davor, und die lärmende Feier dort machte nicht den Eindruck, bald nachzulassen.
    Zeit zu gehen – und in die Zeit zu gehen.
    »Ich habe dich schon immer für sehr geistreich gehalten«, erklärte sie Nandru laut. »Oder dachte ich eher an ein anderes Wort?«
    »Poliasta!«
    Berthold.
    »Verdammt!«, sagte sie. »Erkennt er nicht, wann er lieber aufgeben sollte?«
    Ich bin sicher, dass er voller Leidenschaft ist.
    »Halt die Klappe, Nandru!«, knurrte sie.
    Sie konzentrierte sich darauf, die Beherrschung der inneren Spannung zu lockern, die von der Schuppe ausging, und spürte einen Zug ins Unaussprechliche.
    »Polly! Meine hübsche Polly!«, keuchte Berthold. »Wir müssen gemeinsam trinken und unsere Vereinigung feiern!«
    Berthold stolperte auf sie zu, einen Bierkrug in der rechten Hand, und doch stellte Polly fest, dass sie es immer noch nicht schaffte, diese Zeit zu verlassen. Sie zog die Automatikpistole, die sie vorher in ihrer Manteltasche versteckt hatte.
    »Kommen Sie nicht näher, Berthold!«, warnte sie.
    Der Mann, der im Zweiten Weltkrieg auf sie geschossen hatte, war nicht mit ihr durch die Zeiten gezogen worden, aber er hatte ja auch mindestens zehn Schritte Distanz gehabt. Der Killer Tack aus ihrer eigenen Zeit war viel näher gewesen.
    »Bleiben Sie stehen!«
    Berthold ignorierte ihre Worte, denn woher hätte er auch wissen sollen, was sie da auf ihn richtete? Sie zielte zur Seite, drückte ab, und was immer an Schicksalsgöttern existierte, sie waren in diesem Augenblick auf Pollys Seite. Der Schuss ging knapper an ihm vorbei als geplant und zerschmetterte den Bierkrug. Berthold verlor das Gleichgewicht, schwankte und plumpste aufs Hinterteil. Diese demütigende Position war allerdings immer noch einladender als der Ort, an den Polly jetzt stürzte.
    »Polly!« Sein Schrei hallte ihr nach und verklang. Während sie durch kalte Schwärze stürzte, steckte Polly die Pistole ein und hielt den Essenssack fest gepackt. Die Schuppe zog sie durch eine dimensionslose Leere, und Polly starrte hinab auf die Wogen eines unmöglichen Meeres, das sich in allen Schattierungen der Farblosigkeit ausbreitete. Ihr Verstand spannte sich an und drohte schier zu zerreißen, während er etwas zu verstehen versuchte, was außerhalb seiner natürlichen Evolution existierte. Der Atem platzte in einem Stöhnen aus Polly heraus – und dann saugte sie das Nichts ein. Diesmal hatte sie in gewisser Weise das Gefühl, sich zu bewegen, tatsächlich zu reisen, statt nur, wie zuvor, eine kurze schwarze Unterbrechung zu erleben. Ganz bestimmt war das bald zu Ende … aber es ging endlos weiter, und Polly stellte fest, wie grauenhaft es war, wenn man allmählich erstickte. Und sogar diese dunkle Welt verschwand, als sie ohnmächtig wurde.
    Tack sammelte den Wasserbehälter wieder dort ein, wo er ihn liegen gelassen hatte, und nahm Kurs auf einen vom Reisenden genannten Nebenfluss. Der Andrewsarchus hielt sich den Instrumenten des Reisenden zufolge jetzt irgendwo auf der anderen Seite der Mündung auf. Tack wusste: Wenn er schließlich die Freiheit zurückerlangte, dann wollte er das begleitet sehen von einer ganzen Fuhre der Technik, wie sie diese Fremden benutzten.
    Als er endlich den Fluss erreichte, faltete er den Behälter auseinander, füllte ihn und kehrte so schnell wie möglich zum Strand zurück. Er war nun schon viel länger unterwegs, als er gedurft hätte, und obwohl er eine plausible Erklärung dafür anführen konnte – wie auf einen Baum zu klettern, um das eigene Leben zu retten –, fragte er sich doch, ob

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