Die Zeitbestie
leopardenfleckig, und es war riesenhaft. Verglichen mit den Bäumen, zwischen denen es gerade hervorgetreten war, schätzte Tack es auf fast zwei Meter Schulterhöhe und fünf Meter Länge. Wiewohl hundeähnlich, wirkten seine Bewegungen katzenhaft, und nur das enorme Gewicht behinderte seine Gewandtheit. Aber dieses Ding verhielt sich zum Schoßhund einer Familie wie ein großer weißer Hai zu einem Goldfisch. Und kein Tier hätte so große Zähne haben dürfen: Sie wirkten überproportional, wie bei einer Zeichentrickfigur, die den großen bösen Wolf darstellte.
Tack überlegte, ob er einfach normal weitergehen und dabei hoffen sollte, dass das Untier ihn gar nicht bemerkte; schließlich konnte er ihm nicht mehr bieten als einen kleinen Imbiss. Aber jetzt schwenkte es den riesigen Kopf in seine Richtung, stockte einen Augenblick lang und lief dann mit raumgreifenden Schritten den Strand entlang auf ihn zu. Tack drehte sich um und rannte los, so schnell er konnte.
Da der Sand ihn beim Laufen behinderte, schwenkte er auf den festeren Grund am Waldrand zu. Er warf einen kurzen Blick in den Schatten zwischen den Bäumen und überlegte, einen der Obstbäume anzusteuern, die überaus ersteigbar aussahen. Allerdings wirkte die Kreatur hinter ihm groß genug, um selbst die höchsten Zweige mit dem Maul zu erreichen, und schwer genug, um den ganzen Baum niederzudrücken. Tack brach jetzt am ganzen Körper Schweiß aus, durchnässte seine zerlumpte Kleidung und sickerte ihm in die Augen. In einer solchen Hitze hielt er dieses Tempo womöglich nur für wenige Kilometer durch, wonach er keine Kraft mehr für irgendetwas anderes haben würde, am wenigsten dazu, sich zu verteidigen.
Die Flussmündung wurde jetzt schmaler, und Tack dachte kurz daran, sich dem Wasser anzuvertrauen, bis ihm auffiel, dass diese schwimmenden Seevögel in Wirklichkeit Rückenflossen waren. Also bot sich dort keine Möglichkeit zu entkommen. Der Wald bestand jetzt überwiegend aus Laubbäumen, die jedoch weiterhin zu klein waren. Ein kurzer Blick auf den Verfolger zeigte Tack, dass dieser keine große Eile zu haben schien, ihn zu fangen. Vielmehr trabte er dahin wie ein großer Hund, als wäre er zu faul, den entscheidenden Spurt anzutreten. Nichtsdestoweniger fraßen die raumgreifenden Schritte den Abstand zwischen ihnen auf.
Lauf weiter wie bisher, und sobald ich das Signal gebe, wendest du dich sofort zwischen die Bäume!
»Reisender!«
Eine Antwort erfolgte nicht, aber Tack war auf einmal richtig froh. Der Reisende verfügte nicht nur über die nötige Bewaffnung, um dieses Monster niederzustrecken, sondern würde danach Tack erneut mitnehmen, und dieser war überzeugt, in Gesellschaft des Reisenden eher zu überleben als bei seinen jüngeren Bekannten.
Die Kreatur war ihm inzwischen so nahe, dass Tack eine rote Zunge aus dem keuchenden Maul hervorhängen sah, zwischen Zähnen, so groß wie Kanonenkugeln. Weiße blutunterlaufene Augen musterten Tack ohne jedes Mitgefühl. Das, was Tack am meisten entsetzte: Falls das Untier ihn schnappte, war er mit einem kurzen Biss verschwunden, umgebracht weder aus Zorn noch aus Hass noch aus sonst einem Grund, außer um einen immer wiederkehrenden Hunger zu lindern.
Jetzt hörte er auch die regelmäßigen Schrittgeräusche der großen gespreizten Tatzen, die dumpf durch den Sand trampelten. Obwohl das Tier keine Krallen hatte, wurde das mehr als ausgeglichen durch die schiere Menge Elfenbein in seinem gewaltigen Maul.
Jetzt!
Tack schwenkte sofort ab und rannte kreuz und quer zwischen den Bäumen hindurch. Das Untier wendete und folgte ihm, riss dabei eine Kiefer um und erzeugte einen Regen aus Zapfen, Zweigen und Nadeln. Mit erhobener Schnauze erweckte es den Anschein, als drückte es Erregung aus – die Hetzjagd wurde endlich interessant.
Weiter nach links.
Tack änderte erneut den Kurs.
Das reicht. Gleich siehst du einen großen Baum direkt vor dir. Klettere hinauf, so schnell du kannst. Ich möchte nicht gezwungen sein, auf Freund Andmusarchus zu feuern, da die Umbrathan die Energiespitze orten würden.
Wenig später entdeckte Tack den Baum und wurde langsamer, um die Klettermöglichkeiten zu erkunden. Ein tiefes Muhen hinter ihm brachte ihn jedoch gleich wieder auf Trab. Er trat mit dem rechten Fuß auf den Stamm und lief ein paar Schritte weit fast senkrecht hinauf, ehe er aufs Geratewohl nach Ästen griff und sich weiter in die Höhe zog. Dabei sah er, wie ein breiter pelziger Rücken
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