Die Zeitbestie
Augenschein. Die eigentliche Rute war teleskopisch aufgebaut, und die kurze Leine war dünn wie ein Haar und endete in einem stachelbewehrten Haken, der eher ein Bestandteil der Leine war als ein eigenständiges Anhängsel. Auf halber Länge der Leine waren ein verschiebbarer Schwimmer und zwei Gewichte angebracht. Die Rolle bestand aus einem Würfel mit geschwungenen Kanten, der keine Winde aufwies, dafür aber eine kleine Seitenkonsole.
»Du wirst jetzt weitere Fische fangen, die wir essen können, ehe wir wieder aufbrechen.« Sie wandte sich ab.
Tack wollte verdammt sein, wenn er sie fragte, wie man die Konsole bediente, also drückte er mal versuchsweise darauf herum. Nach einer Weile fand er die Taste, mit der die Rute – innerhalb einer Sekunde – zu ihrer vollen Länge von drei Metern ausfuhr. Als Nächstes entdeckte er die Taste, um reibungsfrei mehr Leine aus der Spule freizugeben – bis sie ein Häufchen am Boden bildete –, und schließlich die Taste für den erneuten Einzug der Leine. Mit diesen drei Funktionen gab er sich zufrieden, obwohl es zahlreiche weitere Tasten gab und auch einen kleinen Monitor, der eine Ideogrammschrift zeigte. Nun legte Tack die Angel erst mal zur Seite, um einen Köder auszugraben. Schon wenig später fand er sich als Angler an einer prähistorischen Küste wieder und fing einen Panzerkopffisch mit breiten Schuppen, die wie Quecksilber glänzten. Und in dieser kurzen Zeitspanne ertappte er sich dabei, dass er noch nie zuvor so viel Spaß gehabt hatte – nicht ein einziges Mal in seinem bisherigen Leben. Aber es endete nur zu rasch, als Meelan verkündete, er hätte genug gefangen.
Als Coptic sechs Stunden durchgeschlafen hatte und es schon dämmerte, weckte ihn Meelan und trat seine Nachfolge auf dem Schlafsack an. Wortlos kochte und verspeiste Coptic einen der drei von Tack gefangenen Fische, um sich dann in die Lotusstellung zu setzen und Wache über dem Instrument zu halten, das zuvor Meelan benutzt hatte. Nun holte Tack die Müdigkeit ein, und da er keine gegenteiligen Anweisungen erhalten hatte, rollte er sich in der Mulde eines Baums auf einem Haufen Kiefernnadeln zusammen und schlief ein. Nur ein Augenblick schien vergangen, als Coptic ihn mit einem Tritt weckte. Allerdings dämmerte schon der Morgen, und ein Blick auf die Uhr verriet Tack, dass er volle acht Stunden lang der Vergessenheit gefrönt hatte.
»Pack die Sachen zusammen«, kommandierte Coptic. »Wir ziehen weiter.«
Ein Blick in die Runde zeigte Tack, dass Meelan am Strand stand und aufs Meer hinausblickte. Er sammelte die Ausrüstung ein und folgte dann Coptic zu Meelan hinab. Beide waren, wie er sah, inzwischen gut ausgeruht, denn ihre Augen glühten wie Schwelbrände. Er bekam nicht mit, wie sie das Mantisal riefen, aber es klappte sich unverzüglich vor ihnen aus der Luft und verströmte kalten Nebel, der sich über dem warmen Sand zerstreute. Tack folgte ihnen an Bord und nahm die gewohnte Position ein. Und erneut verschoben sie sich.
Man muss sich wirklich fragen: Macht sich dieses Ding an deinem Arm überhaupt etwas daraus, ob du lebendig oder tot am abschließenden Ziel eintriffst? Es scheint ein Parasit zu sein – und ernährt sich also womöglich noch von deiner Leiche, während es sie weiter rückwärts durch die Zeit zieht.
Polly hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Der Mund fühlte sich trocken wie Terrakotta an, und der ganze Körper schien zerschlagen. Hände und Gesicht brannten überall, nicht auf Grund der Zeitreise, sondern weil sie in ein Gestrüpp Brennnesseln gefallen war. Während sie weiterhin heftig die ersehnte Luft einsaugte, drehte sie sich um und setzte sich auf. Im nächsten Augenblick wünschte sie sich, sie hätte es weniger eilig gehabt, denn ihr wurde schwarz vor Augen, und eine Woge von Übelkeit spülte durch sie hindurch. Kurz darauf trat der schon bekannte nagende Hunger an die Stelle dieser Empfindungen. Sie blickte auf die Hand, mit der sie den Hals des Essenssacks so fest umklammert hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten, lockerte den Griff und wühlte im Sack herum. Sie holte eine große Schweinepastete hervor, die jedoch so hart wie Granit geworden war.
Man muss sich wirklich fragen: Hast du überhaupt ein abschließendes Ziel oder dient deine Reise irgendeinem Zweck? Vielleicht bist du nur ein Stück temporales Treibgut.
»Nandru, du kannst mir nicht vielleicht doch sagen, wo ich deinen Aus-Schalter finde?«
Wie empfindlich! Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher