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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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ab. So, als würde er etwas Bestimmtes suchen. So als ob er ahnte, dass hier etwas vor ihm geheim gehalten wurde.
    »Basrar!« Wieder diese helle, unheimliche und befehlende Stimme. »Ans Steuerrad! Bring uns auf Kurs!«
    Basrar nickte und rannte schon zum Dach der Kajüte hinauf, wo sich das Steuerrad befand.
    »Und ihr anderen, setzt die Segel!«
    Während die Zeitenkrieger zu den Masten liefen, wandte sich der Schattengreifer um. Seine Augen ruhten einen Moment auf der Holzkiste, und Simon war es, als ob alles Leben aus ihm schwinden würde. Ein breites Lächeln zog über das Gesicht des Schattengreifers, dann ergriff er die Türklinke und ging schweigend in seine Kajüte.
    Simon atmete auf. Es tat gut, diese grausige Gestalt vorerst aus dem Blickfeld zu haben. Einige Sekunden wartete er noch ab und beobachtete das geschäftige Treiben der fünf Zeitenkrieger: Mit schnellen, geübten Griffen bereiteten sie den Seelensammler auf seine bevorstehende Fahrt vor. Die unteren Enden der zerrissenen Segel wurden von Neferti und Nin-Si vertäut, während Moon und Salomon über eine riesige Holzwinde den Anker aufholten.
    Alle waren beschäftigt. Und der Schattengreifer war nicht mehr an Deck. Also nahm Simon all seinen Mut zusammen. Er hockte sich vorsichtig in seiner Kiste auf alle viere und hob den Kopf an. Mit seiner Stirn drückte er den Kistendeckel nach oben, sodass er endlich frische Luft atmen und sich umsehen konnte.
    Schon spürte er, wie Bewegung in das Schiff kam und dass sich der Seelensammler leicht auf die Seite legte. Es knarrte und ächzte aus allen Ecken des Schiffes. Simon konnte hören, wie Basrar das riesige Steuerrad drehte, um das Schiff auf Kurs zu bringen. Und tatsächlich: Allmählich nahm der Seelensammler mehr und mehr Fahrt auf und gewann schnell an Geschwindigkeit.
    Simon drehte seinen Kopf und schaute aus seiner unbequemen Position heraus zum Horizont. Der Tag brach an und mit dem Dunkel der Nacht verzog sich auch allmählich der Nebel. Durch die sich auflösenden Nebelschwaden blickte Simon ein letztes Mal auf die heimatliche Küste zurück, von der er sich nun an Bord des Schiffes schneller und schneller entfernte.

In seiner Kajüte schloss er mit einem genussvollen Seufzer die Augen. Er war wieder auf dem Weg.
Mit seiner ungewöhnlichen Mannschaft war er wieder unterwegs. Seinem Traum entgegen.
Diese eine Fahrt noch. Nur noch diese eine Fahrt, dann war er seinem Ziel so nahe wie nie zuvor.
Er lehnte sich zurück und genoss diesen Augenblick.
Er genoss das gute Gefühl, sie alle überlistet zu haben.
Alle.
Selbst seine Schattenkrieger.
Und auch seinen Verfolger. Seinen Widersacher.
Sie alle würden sich schließlich seiner Macht beugen müssen.
Am Ende aller Reisen.
Am Ende aller Tage.
Auch der Junge, der in seiner Kiste neben der Kajüte gerade seinem Heimatort nachtrauerte.
Er konnte ihn spüren, den Jungen. Deutlich spüren.
Er konnte die Angst und die Sehnsucht des blinden Passagiers so klar erfassen, dass er sie beinahe hätte greifen können.
Er ließ diese Gefühle tief in sich wirken.
Ja, sie beide waren sich näher und ähnlicher, als der Junge es jemals würde erahnen können.

Im Leib des Seelensammlers
I M L EIB DES S EELENSAMMLERS

Nach einigen Stunden verlangsamte das Schiff seine Fahrt.
    Simon hatte sich die ganze Zeit über wie ein Hund auf dem Boden der Kiste zusammengerollt und jetzt spürte er schmerzhaft jeden einzelnen Knochen in seinem Körper.
    Bereits kurz nach Beginn der Fahrt war Neferti ängstlich auf ihn zugelaufen gekommen.
    »Versteck dich!«, hatte sie ihm zugeflüstert, während sie ihn mit einer Hand in die Kiste zurückgedrückt und mit der anderen den Kistendeckel geschlossen hatte. »Bleib in deinem Versteck und halte aus. Was auch immer in den nächsten Stunden geschieht, halte aus!« Dann war sie wieder zu ihrer Arbeit zurückgeeilt.
    Seither lag Simon in dieser gekrümmten Haltung am Boden. Lange würde er es so nicht mehr aushalten können!
    Um sich abzulenken, hatte er während der ganzen Stunden versucht, sich noch einmal über seine Lage bewusst zu werden. Zu gern wollte er das Geheimnis des Schattengreifers ergründen, wollte all seine Fragen beantwortet wissen.
    Was hieß das: eine neue Zeit? … eine neue Welt? Was war der Plan? Und welche Rolle war für ihn, Simon, darin vorgesehen? Was tat er hier?
    Stundenlang zermarterte er sich das Hirn. Doch sosehr er sich auch anstrengte, seine Gedanken zu ordnen, noch immer schwirrten die Fragen wie

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