Die Zeitensegler
unter die Kleidung, in sein Schuhwerk, unter die Haut …
Das Schiff schwankte heftig von einer Seite zur anderen. Es tanzte auf und nieder. Und das Heulen des Windes ging über in ein brausendes Toben.
Simon schlug die Hände über die Ohren, während er zitternd in seinem Versteck verharrte und immer noch nicht wagte, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
Was ging hier vor?
Simon wurde in seiner Kiste hin und her geworfen, bis er völlig den Halt verlor. Alles drehte sich. Der Lärm war kaum noch auszuhalten, und mit einem Mal hatte Simon das Gefühl,es würde ihn in Stücke reißen. Ihm war, als zerrte jemand sein Innerstes nach außen. Als würde man seine Eingeweide packen und aus ihm herausreißen.
Simon wollte schreien, doch nicht einmal das war ihm noch möglich.
Und dann war plötzlich alles still.
Völlige Ruhe.
Nicht einmal der Wind war noch zu hören.
Simon japste nach Luft. Ihm war übel und schwindelig. Die Kleidung klebte ihm kalt auf der Haut. Er wagte kaum, sich zu bewegen. Alles in ihm schmerzte. Vorsichtig hob er erst den einen, dann den anderen Arm und schließlich auch die Beine. Gerade so viel, wie die enge Kiste es zuließ. Er atmete erleichtert auf. Er hatte sich eindeutig nichts gebrochen.
Trotzdem konnte er sich immer noch nicht erklären, was geschehen war. Hatte urplötzlich ein Sturm das Schiff erfasst?
Oder … oder … Simon wagte kaum, den Gedanken zu Ende zu bringen. Oder … hatte der Schattengreifer tatsächlich seine Maschine eingesetzt und den Seelensammler samt Mannschaft durch die Zeit geschickt?
Wo waren sie dann gelandet?
Er musste wissen, was all dies zu bedeuten hatte!
Simon ignorierte seine stärker werdende Angst und blinzelte wieder vorsichtig aus seinem Versteck heraus.
Der Schattengreifer stand nach wie vor auf dem Deck. So als sei in den letzten Minuten gar nichts geschehen. Nach und nach kamen auch die Zeitenkrieger hervor. Im Gegensatz zum Schattengreifer sah man ihnen deutlich an, dass ihnen das Erlebnis zugesetzt hatte. Doch der Schattengreifer nahm darauf keinerlei Rücksicht.
»Nun kommt!«, war alles, was er mit seiner schnarrenden Stimme von sich gab. Eilig stieg er über die Bordwand in das Beiboot, das an der Seite des Seelensammlers vertäut war. Die beiden Mädchen und die Jungs folgten ihm, ohne zu zögern, und nahmen auf den Holzbänken Platz.
Simon beobachtete dieses Schauspiel nachdenklich. Die fünf sahen nicht glücklich aus. Keiner von ihnen folgte dem Schattengreifer gern in das Beiboot. Dennoch packte Basrar das Tau, mit dem das Boot an den Seelensammler gebunden war, und löste den Knoten. Hart schlug das Boot auf dem Meer auf, und Simon konnte hören, wie die Ruder ins Wasser gelassen wurden und wie sie mit lautem Klatschen in die Wellen eintauchten.
Erschöpft ließ er sich auf den Boden seines Versteckes sinken. Er war nun allein auf dem Seelensammler. Einige Augenblicke gönnte er sich Ruhe, dann allerdings erwachte wieder sein Tatendrang.
Das ist die Gelegenheit, um die Maschine zu untersuchen, dachte er aufgeregt. Er platzte inzwischen schier vor Neugier! Langsam hob er den Deckel der Kiste an. Ganz leise vernahm er die sich entfernenden Stimmen der Zeitenkrieger. Auch die Stimme des Schattengreifers stach kurz hervor. Simon hatte also nichts zu befürchten – so hoffte er zumindest. Schnell kletterte er aus der Kiste heraus. Sein Blick streifte die Maschine, doch dann hielt er inne: Bevor er sie genauer untersuchen konnte, musste er zunächst sichergehen, dass er sich auch ganz gewiss allein auf dem Schiff befand.
In gebückter Haltung schlich er zur Bordwand.
Dort angekommen, richtete er sich auf, lugte vorsichtig über die Reling – und seine Augen weiteten sich vor Staunen: Sie lagen vor einer Bucht. Es konnte eine Insel sein, vielleicht aberauch Festland. Der Anblick war atemberaubend: heller Sandstrand, wohin Simon auch blickte. Dahinter ein dichter Wald, so weit das Auge reichte. Ein wahrer Dschungel!
Das Boot mit dem Schattengreifer und seinen Zeitenkriegern war schon ein gutes Stück vorangekommen. Sie ruderten auf das Ufer zu. Sie würden Simon nicht mehr bemerken, selbst wenn sie sich zum Schiff umdrehen würden.
Also wagte er, sich vorzubeugen und über die Bordwand zu blicken. Die See war spiegelglatt und er konnte bis zum Meeresgrund hinuntersehen: Er entdeckte Korallen, einzelne, kunterbunte Fische – und er staunte nicht schlecht, als eine riesige Schildkröte unter dem Seelensammler
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