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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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oder etwas Vergleichbares, das sich dort unter der Oberfläche verbarg.
    Oder täuschte er sich?
    Voller Stolz stand der Schattengreifer am Bug und genoss einfach nur seine Anwesenheit. Schließlich trat er auf die Schiffsmitte zu. Er blickte seine Zeitenkrieger an, die ängstlich vor ihm zurückschreckten.
    Den Schattengreifer aber schien auch das nicht zu stören und wie zu einem Willkommensgruß beugte er sich leicht nach vorn, hob die Arme und streckte ihnen die Hände entgegen.
    Und dies war der Moment, in dem es Simon kaum noch in seiner Kiste aushielt. Blitzartig drückte er sich beide Hände gegen seinen Mund, um nicht laut aufzuschreien. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Er hätte sich übergeben wollen. Er hätte davonlaufen wollen. Er hätte …
    Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen starrte Simon auf die Hände des Schattengreifers. Ihm wurde schwindlig. Alles um ihn herum schien sich zu drehen.
    Dann brach er in seinem Versteck in sich zusammen. Und noch während alles um ihn herum schwarz wurde und er endgültig die Besinnung verlor, sah Simon sie vor sich: diese schneeweißen Handflächen der kahlköpfigen Kreatur und die langen, spindeldürren Finger.
    Die spindeldürren Finger aus seinem Traum.

    Stimmen.
    Jemand sprach. Ganz in seiner Nähe.
    Erschrocken riss Simon die Augen auf. Lag er etwa in seinem Bett?
    Ein kurzes Vibrieren erfasste seinen Körper und in diesem Moment kehrte die Erinnerung schlagartig zurück: Natürlich, er lag in dieser Holzkiste.
    Vom Deck drangen jetzt deutlich hörbar Stimmen durch die Bretter der Kiste, oder nein, eigentlich war es nur eine Stimme. Der Schattengreifer sprach zu den Zeitenkriegern.
    Simon riss die Augen auf und drehte sich in seinem Versteck so herum, dass er wieder durch die Bretterritzen sehen konnte.
    Der Schattengreifer stand wie zuvor in der Mitte des Schiffsdecks und Simon schauderte bei diesem gespenstischen Anblick.
    Die Zeitenkrieger standen im Halbkreis um den Schattengreifer und hörten ihm wie gebannt zu, während er unablässig auf sie einsprach …
    Wobei …
    Simon blinzelte irritiert. Konnte das sein? Zwar hörte er den Schattengreifer ganz eindeutig, aber er sah ihn nicht sprechen. Diese Kreatur stand mit geschlossenem Mund vor den Zeitenkriegern! Und doch war seine unheimliche Stimme zu hören. Wie konnte das sein?
    Noch nie hatte Simon eine derartige Stimme vernommen: viel zu hell für eine Männerstimme und irgendwie krächzend, schnarrend.
    »Gespenstisch!«, flüsterte Simon in seinem Versteck.
    Der Schattengreifer sprach sehr langsam, so als sei ihm jedes einzelne Wort überaus wichtig. Allerdings konnte Simon in seinemVersteck nur einzelne Wortfetzen aufschnappen: »… der große Plan bald vollendet …«, und ein anerkennendes: »… seid mir stets eine große Hilfe gewesen.«
    Als er schließlich von »… einer neuen Zeit …« sprach, die »… bald kommen werde …«, drückte Simon sein Ohr fest gegen die Ritze. War das der Plan, über den die Zeitenkrieger gesprochen hatten? Der große Plan des Schattengreifers, den niemand kannte außer ihm?
    Jetzt, mit dem Ohr an der Wand, konnte er die Stimme auch etwas besser verstehen: »… steht uns wieder eine Reise bevor«, ließ sich die schnarrende Gespensterstimme vernehmen. »Doch vertraut mir: Es wird eine unserer letzten Reisen sein. Ihr, meine Zeitenkrieger, seid nun beinahe vollständig. Und somit bin ich meinem Ziel zum Greifen nahe: Eine neue Zeit wird entstehen, eine neue Welt. Wie ich es versprochen habe. Und nun kommt!«
    Simon presste das Ohr noch stärker gegen die Wand. Eine neue Zeit? Eine neue Welt? Was hatte das zu bedeuten?
    Doch ehe Simon weiter darüber nachdenken konnte, war der Schattengreifer verstummt. Schritte waren zu hören. Schnell drehte Simon den Kopf und starrte wieder durch den Spalt. Sie kamen auf ihn zu! Die Zeitenkrieger liefen voran und dicht hinter ihnen folgte der Schattengreifer.
    Würden die Zeitenkrieger ihn etwa verraten und dem Schattengreifer ausliefern?, durchfuhr es Simon. War es bloß ein Trick gewesen, ihn hier zu verstecken?
    Da fiel sein Blick auf Neferti. Sie schaute in seine Richtung und machte vorsichtig und vom Schattengreifer unbemerkt eine kaum wahrnehmbare Bewegung: Ganz kurz hob sie beschwichtigend beide Hände und zwinkerte Simon zu.
    Nein, sie würden ihn nicht verraten. Im Gegenteil! Er gehörte bereits zu ihnen und sie würden ihn schützen.
    Die finsteren Augen des Schattengreifers suchten unablässig das Deck

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