Die Zeitensegler
die Bordwand.
Die Zeitenkrieger waren von dem Sturm und den sich aufbäumenden Wassermassen nicht betroffen. Sie standen mit geschlossenen Augen an der Maschine und hielten ihre Hände fest auf die Mulden im Tisch gepresst. Sie waren hoch konzentriert und nahmen sonst kaum etwas von dem wahr, was um sie herum geschah.
Simon starrte noch einmal auf die Spiegelbilder in den Wasserwänden. Vier Spiegelungen konnte er zählen, da begann sich das Schiff zu erheben und einmal um die eigene Achse zu drehen.
Die Zeitreise begann.
Und in diesem Moment erwachte der Aborigine.
Ein Schmerz fuhr ihm durch alle Glieder.
Etwas in seinem Inneren schien sich aufzublähen.
Es schien ihn zerreißen zu wollen.
Er schrie auf, wollte den Druck, der sich in ihm staute, herausbrüllen. Ihn loswerden.
Doch das Gegenteil geschah. Ein Gefühl des Zerrissenwerdens durchströmte ihn. Es begann in seiner Brust und nistete sich in seinen ganzen Körper ein.
Alles in ihm schien nur noch gegen diesen Druck zu kämpfen und er wünschte sich beinahe, es möge aufhören und ihn zerreißen.
Es möge ihn zerreißen und in Stücken durch die Halle schleudern.
Es war ihm gleich.
Es war ihm recht.
Wenn nur dieses Gefühl nachlassen würde.
Noch einmal schrie er durch die Nacht.
Er konnte nicht anders.
Unter Schmerzen zuckte er auf, wand sich, kreischte.
Und endlich ließ es nach, dieses Gefühl.
Er fiel in sich zusammen, spürte, wie die Qual sich langsam verflüchtigte.
Bis er nur noch eine Leere in sich spürte.
Etwas war geschehen.
Etwas hatte ihm diesen unglaublichen Schmerz verursacht.
Etwas, das er nicht kannte.
Er setzte sich auf. Sein Körper rebellierte.
Er musste wissen, was los war.
Da vernahm er ein Geräusch in seiner Halle. Flügelschlagen.
Aus dem Dunkel der Nacht kam eine Krähe auf ihn zugeflogen.
Eine Krähe mit einem langen, krummen Schnabel.
Sie hatte eine Nachricht für ihn.
Sie brachte ihm die Lösung des Rätsels.
Gespannt streckte er ihr seinen Arm entgegen und hieß sie willkommen.
Sein erster Blick fiel auf die Mauer aus Wasser, die sich vor dem Schiff aufgebaut hatte, und er schrie. Gellend. Kreischend.
Sein Schrei ließ die anderen aufhorchen. Die Zeitenkrieger wurden aus ihrer Konzentration gerissen und blickten sich nach dem australischen Jungen um. Schon senkten sich die Wassermassen, die den Seelensammler umgaben. Schon sackte das Schiff ab.
»Nein! Achtet nicht auf ihn«, brüllte Simon den Zeitenkriegern zu. »Last euch jetzt nicht ablenken!«
Es fiel den vier Jugendlichen nicht leicht, sich auf die Zeitmaschine zu konzentrieren. Sie mussten sich mit Gewalt von dem Anblick des panisch schreienden Jungen losreißen, um ihre Blicke und Kräfte an der Maschine zu bündeln. Doch es gelang ihnen. Schon bauten sich die Wasserwände wieder auf und das Schiff erhob sich erneut.
Hastig band Simon seinen linken Arm los und lief auf den Aborigine zu. Ein besonders heftiges Schwanken des Schiffes ließ ihn taumeln. Simon verlor das Gleichgewicht und wurde gegen den hinteren Mast geschleudert.
»Simon!« Basrar nestelte an seinem Tau, um sich loszumachen und Simon zu Hilfe zu eilen.
Die Zeitenkrieger hatten alle Mühe, weiterhin ihre Konzentration aufrechtzuhalten.
Simon rappelte sich hoch und rannte weiter zum völlig verstörten Aborigine. Kurz bevor das Schiff sich zur anderen Seite neigte, sprang Simon auf den vorderen Mast zu und klammerte sich mit beiden Händen an das Holz.
Das Schreien verebbte. Der Aborigine hatte Simon entdeckt. Mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung blickte er ihm entgegen.
Simon lockerte das Seil, mit dem der Junge an den Mast gebunden war.
Vielleicht, dachte Simon, fürchtet sich der Junge ja weniger, wenn ich mich mit ihm an den Mast binde und ihm während der Zeitreise ein Gefühl von Sicherheit vermitteln kann.
Doch er hatte nicht mit der blitzschnellen Reaktion des Aborigine gerechnet. Mit einem Satz war der Junge auf den Beinen und rannte los. Simon versuchte noch, ihn zu packen, doch der Junge war zu schnell für ihn.
Er wird in die Fluten stürzen!, dachte Simon, als das Schiff knarrend auf die andere Seite gezogen wurde.
Aber plötzlich kam Basrar angestürzt und warf sich auf den Aborigine. Der Aborigine wehrte sich mit aller Kraft, doch Basrar hatte das Kämpfen schon früh gelernt. Ein paar gezielte Griffe und Bewegungen und er hatte den australischen Jungen so gepackt, dass er ihm nicht mehr davonlaufen konnte.
Schon neigte sich das Schiff wieder weit zur Seite.
Simon
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