Die Zeitfalle
Sein Vater verstand einfach nicht.
»Die Dinge haben sich geändert, Papa«, sagte Jake leise. Sein Vater blickte auf. Die Augen waren leer. »Wirklich, Papa. Vieles ist anders als damals.«
»Unsinn. Gewiß, der Smog ist schlimmer geworden, aber du? Und deine Schwester, Anne? Nein. Ihr seid immer noch die gleichen, alle beide; genauso wie ihr gestern wart, wie ihr immer gewesen seid.« Der alte Mann lachte und setzte sein Weinglas an die Lippen und trank. »Nein. Nein. Du hast dich nicht verändert. Nichts hat sich verändert.«
»Papa, warum sind wir nie miteinander ausgekommen? Warum haben wir uns nie verstanden?«
»Was? Wie meinst du das, nie verstanden?«
»Du hast mir nie zugehört, weißt du. Auch jetzt wieder. Du hast nicht ein Wort von dem gehört, was ich sagte.«
»Das ist nicht wahr, Jake. Nicht wahr. Ich hörte alles, was du sagtest. Alles. Du irrst dich.«
»Ich irre mich nicht, Papa. Diese ganze Rede, die du mir eben gehalten hast; du hast mir dasselbe gesagt, als du im Sterben lagst, wie ich mich um Mutter kümmern solle und so weiter. Aber sie ist tot, Papa. Ich sagte es dir, und du hast es nicht begriffen. Sie ist tot.«
»Und du solltest dich um sie kümmern; du weißt, das ist deine Sohnespflicht.«
»Nicht ein Wort. Du verstehst kein Wort von dem, was ich sage.«
»Unsinn.«
»Nicht ein Wort. Du kannst mich nicht hören.«
»Ich habe alles gehört.«
»Aber du verstehst nicht, und du wirst nie verstehen, nicht mehr.«
»Wovon redest du, Jake?«
»Ich kann dich nicht ändern, kann keinen Zugang zu dir finden, Papa. Die Erinnerung an dich schmerzt mich, und ich wollte sie in Ordnung bringen. Ich wollte einen Zugang zu deinem inneren Wesen finden, um meine Erinnerung zu einer guten zu machen – aber ich kann es nicht. Ich kann dich nicht ändern und ich kann diesen Zugang nicht finden. Genausowenig wie ich in Aufrichtigkeit diese Erinnerung ändern kann. Mein Gott.«
»Jake, Jake. Du bist so jung. Du wirst sehen, in ein paar Jahren ...«
»Ich bin siebenundzwanzig, Papa. Und ich habe nichts mit meinem Leben angefangen, solange ich unter dir gewesen bin. Hast du eine Erklärung dafür?«
»Wie kannst du siebenundzwanzig sein? Ich sollte doch das Alter meines eigenen Sohnes ...« Der alte Mann verstummte und schaute verwirrt drein.
Jake seufzte und nahm den Zylinder aus seiner Tasche.
»Jake? Alles ist verkehrt, nicht wahr?« Er sah Jake mit großen und plötzlich ängstlichen Augen an. Es waren nicht die Augen, die Jake gefürchtet hatte, als er jünger gewesen war; jene Augen existierten nur an einem Ort, wo sie immer existieren würden, unverändert – es sei denn, er unterzöge sich der unangenehmen Notwendigkeit gründlich nachzudenken. Und umzudenken.
»Ja, Vater. Alles ist verkehrt«, sagte Jake. »Du bist nur eine Erinnerung.«
Seine Augen brannten, als seine Finger den kleinen Drehknopf an dem Zylinder suchten und die notwendige Einstellung machten.
Der Warteraum mit den angestrahlten künstlichen Palmen und der dezenten indirekten Beleuchtung war nicht so überfüllt wie am Vortag. Das schwarze Mädchen hinter dem Schreibtisch sah nicht so überarbeitet und bedrängt aus, aber der Ausdruck ihres Gesichts hatte kaum etwas mit Erleichterung zu tun. Sie wirkte nervös und hatte sorgenvolle Falten auf ihrer Stirn, und die Sorgenfalten vergingen nicht völlig, als Jake an ihren Schreibtisch kam, gefolgt von seinem Vater. Die Bewegungen des alten Mannes waren mechanisch und abrupt, und als Jake vor dem Schreibtisch stehenblieb, kam sein Vater genau einen Schritt hinter ihm zum Stillstand. Das Mädchen blickte mißtrauisch und ahnungsvoll zu Jake auf, wie jemand, der gerade zu einer mehr zynischen Betrachtungsweise seiner Bittstelle gekommen ist, und machte eine leichte Kopfbewegung zu der Nachbildung des alten Mannes. »Was ist mit ihm? Etwas nicht in Ordnung?«
»Ich habe die Schaltkreise der Gedächtnisspeicher unterbrochen. Nach der Anleitung im Buch, glaube ich. Er ist nur noch ein Roboter.«
Er gab dem Mädchen den Zylinder oder Operateur, und es legte ihn auf die Schreibtischplatte.
»Sie wollen Ihren Vater zurückgeben?«
Jake nickte. »Ja, so ist es.«
»Sie wissen, daß nach den Geschäftsbedingungen, die Sie unterschrieben haben, eine Rückerstattung des Kaufpreises oder Teilen davon nur möglich ist, wenn technische Mängel oder Defekte vorliegen, die auf dem Wege der Nachbesserung nicht behoben werden können. Liegt ein technischer Mangel
Weitere Kostenlose Bücher