Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Oberfläche seiner Seele bahnten.
Er war überzeugt, dass es ein großer Fehler gewesen war, dem Drängen des Königs nachzugeben und einen zweiten Plan zu entwickeln. Vielleicht wäre es ihm gelungen, Karl davon zu überzeugen, dass nur die Korrektur der Geschichte im Sinne Gottes Segen bringen konnte, hätte nicht General Wibodus seinen Einfluss auf den Herrscher genutzt. Jetzt rächte sich der Hochmut, die Verachtung, die der gelehrte Mönch dem Gewaltmenschen in schwerer Rüstung stets kaum verhüllt entgegengebracht hatte. Wibodus hatte alles getan, um Zweifel im König zu säen, ob es je gelingen würde, die zur Durchführung der Zeitreise unbedingt notwendigen Informationen zu erlangen. Er war es auch, der Karl den Gedanken eingepflanzt hatte, dass es im Falle eines Scheiterns aller derartigen Anstrengungen wenigstens möglich sein sollte, in dieser Welt mit den zur Verfügung stehenden handfesten Mitteln zumindest einen Teil von Gottes ursprünglicher Ordnung der Dinge zu verwirklichen. Es war für Wibodus ein Leichtes, den König durch einen Vergleich seiner Bedeutung in beiden Welten davon zu überzeugen, dass es sich bei diesem Teil nur um das Kaiserdiadem Westroms handeln könne. Die Vorstellung, dass er statt der ihm durch höheren Willen bestimmten Würde eines Herrschers Europas und römischen Kaisers nur den Rang eines untergeordneten Fürsten bekleiden konnte, der überdies durch demütigende Geheimverträge an das Imperium gekettet war, erzürnte den König. Er befahl daher Einhard, einen weiteren Plan auszuarbeiten, der ihm die Herrschaft über das Römerreich bringen würde, sollte sich die Zeitreise als nicht durchführbar erweisen.
Der Oberkämmerer seufzte tief. Oh ja, er hatte sich mit Eifer an die Arbeit gemacht. Er hatte unter großen Mühen ein Bündnis mit den Persern herbeigeführt, um die überlegenen Legionen des Weströmischen Reiches fortzulocken. Er hatte für die Aufstellung von Panzerreitern gesorgt, von denen die Besten an den neuen Geheimwaffen zu dragonarii ausgebildet wurden. Er hatte sorgfältig durchdacht, wie man den vergessen scheinenden Konflikt zwischen Nicaeern und Arianern in Imperium wieder aufleben lassen konnte, um es zusätzlich innerlich zu schwächen. Zu spät erst war ihm bewusst geworden, welche unermessliche Schuld er damit auf sich lud. Er hatte einen Krieg entfesselt, der weit im Osten möglicherweise Zehntausende das Leben kostete, die ihn am Jüngsten Tage vor dem Richterstuhl des Allmächtigen anklagen würden, und zudem war er ein Bündnis mit Shahinshah Hormuzan eingegangen, dem größten Feind der Christenheit. An den bevorstehenden Kriegszug Wibodus’ gegen Rom wagte er gar nicht zu denken. Am schwersten aber wog, dass er zu der Überzeugung gelangt war, dass der zweite Plan grobe Missachtung der göttlichen Aufgabe darstellte. Die komplexe Ordnung einer völlig andersgearteten Welt ließ sich nicht auf Karls Kaiserschaft reduzieren. Einhard war sich sicher, einen schlimmen Fehler gemacht zu haben, der Unheil in ungeahntem Ausmaße zur Folge haben würde und den er deshalb um jeden Preis korrigieren musste, solange ihm noch Zeit blieb.
Er schlug das Buch zu und bemerkte erst jetzt, dass es dunkelte. Der Oberkämmerer läutete ein kleines Silberglöckchen, und ein Bediensteter in schwarz-gelbem Wams betrat das Zimmer.
»Ihr wünscht, Exzellenz?«
»Sorge dafür, dass die Kerzen entzündet werden. Ist der König immer noch nicht von der Jagd zurück?«
»Ich bedaure, Exzellenz, leider nicht. Seid versichert, dass ich es Euch sofort melden werde, wenn er eintrifft.«
Einhard nickte stumm.
Der Diener ging, um Feuer zu holen, und der Mönch starrte bewegungslos auf den Buchdeckel, von dem ihm das Profil seines Königs auf einer Münze aus einer fremden Welt entgegenblickte.
21
Mons Securus
Im septimanischen Bergland
Das kaltsilberne Leuchten des Mondes, dessen Strahlen durch die Fenster fielen, tauchte das Dormitorium in ein unwirklich fahles Licht. Die Mönche lagen schlafend in ihren Betten, die zu beiden Seiten des Mittelganges an den Wänden nebeneinander aufgereiht standen. Von ihren Atemgeräuschen und einem vereinzelten leisen Schnarchen abgesehen, war es still im Schlafsaal.
Nur Gallus schlief höchst unruhig. Er warf sich im Bett hin und her, sein Körper zuckte immer wieder krampfartig zusammen und sein Gesicht wurde von einer schreckerfüllten, furchtverzerrten Maske in die andere gerissen.
Dann, als hätte
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