Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
schaute in die Gesichter seiner Kommandeure, doch dort fand er nur dieselbe Hilflosigkeit, die er selbst empfand. Jeder wusste, was diese Meldung zu bedeuten hatte, nämlich dass sie ausmanövriert worden waren. Wovor General Aventinius sie zu warnen versucht hatte, war nun bittere Wirklichkeit geworden, und den römischen Truppenführern begann schmerzhaft klar zu werden, dass nun nicht mehr sie es waren, die den Ablauf der Ereignisse bestimmten. Die Initiative war in die Hände der Perser übergegangen, die ganz eindeutig nicht vom Prinzen Ardashir, sondern vom ihm unterstellten Meh-Adhar gelenkt wurden.
General Siegericus war der Erste, der seine Stimme wiederfand.
»Wir müssen ihnen nach!«, sagte er übermäßig laut, als ob er dadurch seinen Worten zusätzliches Gewicht zu verleihen hoffte. »Es gibt keine andere Wahl. Die Perser werden am Ufer des Lacus Asphaltites entlang südwärts ziehen, der Weg nach Ägypten liegt offen vor ihnen. Unsere einzige Möglichkeit ist, sie einzuholen und überraschend anzugreifen. Nur dann haben wir eine Chance, sie aufzuhalten, bis Konstantin mit seinem Heer eintrifft.«
»Dazu müssen wir sie, wie Ihr ja selber sagt, erst einmal einholen«, gab General Victor zu bedenken.
»Worin seht Ihr das Problem? Welche Armee der Welt marschiert schneller als die Truppen Roms? Und dank der überlegenen Ausbildung unserer Soldaten können wir aus dem Marsch heraus Gefechtsformation einnehmen. Das heißt, wir können die lange Marschkolonne der Perser angreifen, sobald wir auf sie treffen. Meh-Adhar wird völlig überrumpelt sein, und nicht einmal er kann dann dieses unbewegliche Riesenheer schnell genug zur Schlacht gruppieren, schon gar nicht auf der schmalen Küstenebene.«
»Ich pflichte Euch bei, dass in einer überraschenden Attacke unsere einzige Hoffnung besteht«, meine Victor in einem Tonfall, der schon die folgende Einschränkung vorbereitete, »aber es ist auch so, dass eben in dieser Überraschung unser einziger Vorteil besteht. Wir müssen uns darauf verlassen, die persische Nachhut unvorbereitet zu treffen und durch unseren Angriff ein Durcheinander hervorzurufen, das das feindliche Heer zum Stillstand bringt. Gelingt uns das nicht, sind wir in einer üblen Lage. Und was unsere Marschgeschwindigkeit betrifft … Siegericus, Ihr solltet bemerkt haben, dass wir nur langsam vorankommen, da die oströmischen Einheiten – ich bitte um Verzeihung, Strategos Staurakios – uns bremsen. Wir sind nur ebenso schnell wie die Perser, einholen könnten wir sie nur, wenn wir die Griechen zurückließen. Doch da wir bei einer Schlacht auf keinen Mann verzichten könnten, ist das auch keine Alternative.«
Grübelnd verfolgte der Imperator die Argumente der zwei höchsten Generale seines Heeres. Er war sich bewusst, dass von ihm eine Entscheidung erwartet wurde, doch es fiel ihm schwer. Er hatte Marcus Aventinius’ weitsichtige Einschätzung der Dinge verworfen, und durch diesen Fehler hatte er seine Armee in die jetzige Situation gebracht. Der Gedanke daran lastete drückend auf ihm und machte es ihm nicht leicht, nun zu entscheiden, auf welche Weise die Folgen seines Fehlurteils wenn auch nicht getilgt, so doch wenigstens gemildert werden könnten.
»Genug!«, unterbrach er den Wortwechsel der beiden Generale. »Wir stehen vor diesem Problem, weil wir alle miteinander, ich eingeschlossen, die Warnungen des General Aventinius leichtfertig übergangen haben.«
Alle Blicke der Offiziere richteten sich auf den Kaiser, und die Oströmer unter ihnen waren leicht entsetzt. Die Vorstellung, dass der Träger des Kaiserpurpurs Fehler machen könnte und dies auch vor gewöhnlichen Menschen eingestehen würde, war ihnen absolut fremd, galt ihnen der oströmische basileos doch als göttlich inspiriert.
»Daher«, fuhr Rufus Scorpio fort, »werde ich mich mit Marcus Aventinius beraten, ehe ich beschließe, was geschehen wird.«
Siegericus rief aus: »Imperator! Ihr wollt Euch dem Rat dieses unerfahrenen Emporkömmlings ausliefern?«
»General, mäßigt Euch! Bedenkt, wer diesen Emporkömmling, wie Ihr ihn nennt, in seinen jetzigen Rang erhoben hat. Es ist nicht zuletzt Euren Attacken gegen ihn zuzuschreiben, dass er resigniert hat und ich so einen groben Irrtum begehen konnte, vor dem nur er mich hätte bewahren können. Aventinius hat sich bislang in nichts geirrt, was man von Euch nicht behaupten kann.«
»Eine Unverfrorenheit! Geht zum Teufel!«, brüllte Siegericus wütend. Noch
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