Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
mochte jeder vierte nicht zurückgekehrt sein. Totenstille lag wie ein unsichtbares Leichentuch über der römischen Armee, deren Soldaten alles mitangesehen hatten. Und auf dem Hügel musste Rufus Scorpio sich zwingen, nicht die Augen zu schließen. In den blassen Gesichtern der Offiziere stand deutlich die Frage geschrieben, die alle sich stellten: War es vergebens?
Ardashir tobte. Ihm war völlig gleichgültig, dass viele seiner Soldaten von den Pfeilen der Araber getötet oder verletzt worden waren; auch kümmerte ihn nicht, dass Hunderte der Angreifer ihre Kühnheit mit dem Leben hatten bezahlen müssen. Für ihn waren diese zwei Attacken Ohrfeigen, die ihm persönlich gegolten hatten. Eine Beleidigung, für die er sich mit Strömen von Blut Genugtuung verschaffen würde. »Es reicht!«, schrie er schrill. »Die Hunde sollen sterben, alle! Wir machen sie nieder!«
General Meh-Adhar stockte der Atem. Wie sollte er dem Prinzen beibringen, dass das genau die Reaktion war, welche die Römer sich von ihrem selbstmörderischen Vorgehen versprachen?
»Hoheit, ich flehe Euch an«, sagte er eindringlich, »überdenkt Euren Entschluss noch einmal. Wir können nicht …«
»Schweigt! Schweigt, sage ich! Von Euch höre ich immer nur, was Ihr alles nicht könnt. Ihr seid unfähig! Unsere unbesiegbaren Panzerreiter sollen die Römer zerdrücken!«
Der General sah das dunkelrot verfärbte Gesicht Ardashirs, in dessen Schläfen das Blut pulsierte. Und er wusste, dass der Prinz sich in einen Wahn hineingesteigert hatte, in dem keine Worte mehr zu ihm durchdrangen. Wider alle Vernunft wollte er es dennoch wagen, aber er fand dazu keine Gelegenheit mehr.
Der Prinz brüllte den Meldereitern zu, sie sollten den Befehlshabern der Eisenmänner den Befehl zum Angriff überbringen, und die Ordonnanzen ritten sofort los.
Meh-Adhar war entsetzt. Selbst wenn die schwere Kavallerie trotz des ungünstigen Geländes die Mauer der römischen Schilde durchbrechen sollte, so würden die Männer ohne die Unterstützung sofort nachrückender Infanterie verloren sein. Ohne den Prinzen, der wieder wutentbrannt zu den Römern hinüberstarrte, in Kenntnis zu setzen, gab er Bahram die Anweisung, sofort dem Fußvolk das Signal zum Angriff geben zu lassen. Bahram nickte und beeilte sich, den Befehl schnellstens den Hornisten zu überbringen.
Der General blickte auf den Großen Salzsee, dessen ruhig glitzernde Oberfläche die Strahlen der immer höher steigenden Sonne reflektierte. Er richtete wortlos ein Gebet an Ahuramazda, den Herrn des Lichts, auf dass er die in seinem Namen kämpfenden Krieger beschützen möge.
Lähmende Nervosität hielt die Römer fest in ihren Klauen. Tausende von Augen waren auf die lange eiserne Wand des Perserheeres gerichtet, das immer noch unbewegt stand, als sei es in Stein gehauen. Mit jeder Sekunde, die verrann, wuchs die bedrückende Gewissheit, dass das Opfer der Araber vergeblich gewesen war. Marcus Aventinius war bewusst, dass ein weiterer Angriff dieser Art reiner Wahnsinn wäre, Selbstmord. Er fühlte, wie seine Zuversicht schwand, und versuchte, sich dagegen zu wehren. Doch es gelang ihm nicht, und ihm wurde klar, dass sie den Charakter des Perserprinzen falsch eingeschätzt hatten. Die übermäßige Reizbarkeit, auf die man vertraut hatte, war offenbar doch nicht der ausschlaggebende Wesenszug Ardashirs. Aventinius ertappte sich dabei, wie er zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass die Niederlage Roms unabwendbar war.
Plötzlich merkte er auf. Hornsignale schallten von Massada herüber und hallten von den Felswänden wider. Und dann geschah, was keiner mehr für möglich gehalten hatte: Die Reihen der Perser setzten sich in Bewegung.
»Also doch!«, rief General Victor aus. »Sie kommen! Wir haben sie wütend gemacht!«
»Wir haben wohl vor allem einen erzürnt«, meinte der Imperator, »aber das ist jetzt ohnehin bedeutungslos. Wir wollen …«
Er hielt inne. Beim Feind geschah etwas Unerwartetes. Zu beiden Seiten der langsam vorrückenden langen Linien der schweren Infanterie strömten jetzt Reiter hervor, Massen von Reitern, die zuvor den Blicken der Römer verborgen gewesen waren.
»Eisenmänner«, sagte General Victor tonlos, als ob der Teufel selber auf dem Schlachtfeld erschienen wäre. Und auch unter den Legionären, die sich zum Kampf bereit machten, wurde nun Unruhe spürbar. Die persischen Panzerreiter hatten einen furchterregenden Ruf. Sie waren es, mit denen das
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