Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
der Dolch wurden auf dem Pfad zur Kapelle der heiligen Helena gefunden, nur eine halbe Meile von hier. Hinter einem großen Gebüsch am Wegesrand war der Boden von den Hufen mehrerer Pferde aufgewühlt.«
»Nein! Ich kann es nicht glauben!«, entfuhr es Andreas. »Warum mussten gerade jetzt irgendwelche von Gott verfluchten Straßenräuber den einzigen Menschen verschleppen, der uns helfen kann? Abt Albericus, die ganze Umgebung muss sofort durchkämmt werden und …«
»Das wäre nichts weiter als Zeitvergeudung«, unterbrach Lucius trocken. »Nicht Räuber, sondern fränkische Soldaten haben Gallus aufgelauert und ihn gewiss längst über die Grenze ins Frankenreich gebracht.«
Die Erwähnung der Franken ließ Franklin aufhorchen. »Aber das könnt Ihr gar nicht wissen, Ihr ratet das doch nur.«
»Ich rate nicht, ich schlussfolgere. Erstens ist dies ein fränkischer Militärdolch. Wenn er nicht gerade absichtlich zurückgelassen wurde, um uns in die Irre zu führen – und es gibt keinen Grund, das zu vermuten –, war sein Besitzer ein fränkischer Soldat. Er hat ihn wohl verloren, als er ihn sehr eilig wieder einstecken wollte und ohne es zu bemerken, die Scheide verfehlt hat. Zweitens: Dass sie auf Gallus gewartet haben, ergibt sich aus dem Pferdemist, der hinter dem Gebüsch lag. Sie müssen sich dort längere Zeit aufgehalten haben, und im Laufe des Tages sind mehrere Angehörige des Klosters diesen Weg entlanggegangen. Hätten sie einen beliebigen Mönch entführen wollen, so wäre das lange Warten gar nicht nötig gewesen. Und dass sie Gallus dann so schnell wie möglich über die Grenze gebracht haben, ist schlicht das einzig logische Verhalten. Kein Verbrecher hält sich unnötig lange in der Nähe des Ortes seiner Tat auf, wo die Gefahr, gestellt zu werden, am größten ist. Elementar, mein verehrter Franklin Vincent.«
Warum Franklin bei den letzten Worten des Mönchs amüsiert grinste, blieb Andreas unverständlich. Die Situation hatte gewiss absolut nichts Komisches an sich.
»Aber warum Gallus?«, fragte der Abt ratlos.
Lucius hob mit sanfter Arroganz die Augenbrauen. »Es ist naheliegend, dass seine außergewöhnliche hellseherische Begabung, die ja kein Geheimnis war, der Anlass für die Entführung gewesen ist. Wenn diese besonderen Talente sogar in Rom für höchst wertvoll erachtet werden«, er sah kurz zu Franklin und Andreas hinüber, »warum sollten die Franken sie sich dann nicht auch zunutze machen wollen?«
Einhard!, blitzte es in Andreas’ Kopf auf. Wenn er nun Gallus wirklich in seiner Gewalt hat … er würde zwar erfahren, was wir ihm ohnehin mitteilen wollten, doch wir wären als machtlose Zuschauer dazu verurteilt, nicht mehr in die Dinge eingreifen zu können. Aber falls nun doch nicht Einhard dahintersteckt? Sondern seine Gegner, die seine Pläne endgültig unmöglich machen wollen? Dann wäre Gallus jetzt ein toter Mann … und wir stünden mit unseren Bemühungen vor dem Nichts.
Er sah Franklin an, in dessen Gesicht sich die gleichen Befürchtungen widerspiegelten. Nur, dass der Zeitreisende zudem totenblass war.
41
Auf der Straße nach Limoges
In der fränkischen Provinz Aquitanien
»Ihr solltet besser vernünftig sein und Eure Widerspenstigkeit aufgeben«, sagte Einhard zu Gallus. »Wenn Ihr zustimmt, Eure besonderen Fähigkeiten in meinen Dienst zu stellen, werde ich Euch sagen, was ich von Euch erwarte. Ihr werdet dann sehen, dass es sich um eine überaus gottgefällige Aufgabe handelt.«
Der Spicarianer antwortete nicht. Er wich zwar unsicher und verängstigt dem Blick des Oberkämmerers aus, aber dennoch weigerte er sich trotzig, seinem Entführer auch nur einen Fingerbreit entgegenzukommen.
Einhard schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster seines rasch über die Straße in Richtung Norden rollenden Reisewagens. Einige Bauern, die gerade auf einem Feld Weizen schnitten, schauten erstaunt auf. Eine sechsspännige Kutsche mit dem schwarzen Adler an den Türen, eskortiert von zwölf Reitern, war kein alltäglicher Anblick.
Bewundernswert, dieser Mönch, dachte Einhard. Diese innere Stärke … die Furcht steht ihm ins Gesicht geschrieben, er weiß nicht, was ihm bevorsteht … und dennoch bleibt er seit Tagen standhaft. Aber ich muss einen Weg finden, seinen Widerstand zu brechen. Er hat alle Versuche, ihn zur Mitarbeit zu bewegen, an sich abprallen lassen. Also bleibt mir nur noch eine Möglichkeit …
Er sah Gallus an, der ihm
Weitere Kostenlose Bücher