Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Maritimas waren Feldlager errichtet worden, die sich mit jedem Tag weiter füllten. Die Kohorten strömten zusammen, um auf die Verschiffung zu warten. Eine Mischung aus Zorn und Nervosität schien alles zu durchdringen, denn mittlerweile wusste jeder, welchen Grund diese eiligen Vorbereitungen zum Aufbruch hatten. Die Freude und Erleichterung, die zunächst geherrscht hatten, nachdem der Imperator zwei Wochen zuvor eingetroffen war und sich die Nachricht von der vernichtenden Niederlage der Perser verbreitet hatte, waren schnell verflogen. Stattdessen hatte sich erst ungläubige Überraschung verbreitet, dann grenzenlose Wut auf die verräterischen Franken, die hinterhältig ein jahrhundertealtes Bündnis gebrochen und sich skrupellos mit den Persern, den Feinden aller Christen, verbündet hatten. Das alles gab manchem Legionär das Gefühl, die Franken hätten ihm persönlich unter höhnischem Lachen eine schallende Ohrfeige versetzt. Und mit jedem Tag, der verstrich, wuchs die Besorgnis, ob es möglicherweise schon zu spät war.
Rufus Scorpio hatte sein Hauptquartier in der Residenz des Statthalters von Palaestina aufgeschlagen, sodass dort nun ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Staubbedeckte Ordonnanzen meldeten das Eintreffen neuer Kohorten, Boten machten sich mit Befehlen auf den Weg zu Einheiten, die noch auf dem Anmarsch waren, Offiziere erstatteten Bericht über den Zustand ihrer Truppen und die Kommandanten der Flotte kamen, um die komplizierten Abläufe der Truppenverladung im viel zu kleinen Hafen von Caesarea Maritima zu koordinieren. Ein ruheloser, lautstarker Strom von Menschen wälzte sich ununterbrochen durch die Gänge des Palastes, und den Mittelpunkt all dessen bildete Rufus Scorpio. Der Kaiser hatte mit seinem Stab den großen Innenhof der Residenz in Beschlag genommen, wo er nun hinter einem faltbaren Tisch saß, wichtige Berichte entgegennahm und Befehle aufsetzte oder unterzeichnete.
»Wie sieht es aus?«, fragte er Marcus Aventinius, der am unmittelbar benachbarten Tisch Stapel von Listen durchging.
»Recht gut«, antwortete der General. »In fünf Tagen werden die letzten noch fehlenden Kohorten aus Phoenice hier eintreffen. Wir können also morgen mit der Verladung der ersten Truppen auf die Schiffe beginnen.«
Rufus rieb sich die brennenden Augen. Er hatte seit Tagen nicht mehr wirklich geschlafen und sehnte sich danach, auf hoher See endlich ein wenig Ruhe finden zu können, obwohl er sehr daran zweifelte, dass ihm das möglich sein würde.
»Was ist mit Nachrichten aus Rom? Immer noch nichts Neues?«, fragte er müde.
General Aventinius verneinte. »Leider nicht, Imperator. Das Letzte, wovon wir Kenntnis haben, ist nach wie vor der unerwartete Ausbruch der Unruhen zwischen Arianern und Nicaeern. Meiner Meinung nach ist das übrigens kein Zufall.«
Der Kaiser kniff den Mund zusammen und nickte. »Das denke ich auch. Aber das darf uns jetzt nicht kümmern. Unsere Hauptsorge muss es sein, so schnell wie möglich mit der Armee nach Italien zu kommen. Hoffentlich erreicht unsere Warnung vor dem bevorstehenden fränkischen Angriff Rom noch rechtzeitig.«
»Das Kurierboot hat gewiss nicht länger als zwei Tage bis nach Antaradus gebraucht, Imperator«, meinte der General. »Von dort ab ist das Innuetornetz intakt, die Botschaft wird jetzt schon Anatolien durchquert haben und auf dem Weg von Konstantinopel nach Rom sein. Die Innuetorlinie entlang der Via Egnatia ist als die schnellste in beiden Imperien bekannt. Ihr dürft sicher sein, Imperator, dass man in Rom sehr bald wissen wird, was die Franken vorhaben und dass wir auf dem Heimweg sind.«
Rufus Scorpio legte besorgt die Stirn in tiefe Falten. »Und wenn es nun doch zu spät ist? Stellt Euch vor, wir erreichen Rom, und die Hauptstadt ist bereits in den Händen des Frankenkönigs. Er hätte dann sechshunderttausend Geiseln! Sechshunderttausend Menschen in der Gewalt eines Mannes, der skrupellos genug war, ein Bündnis mit dem Erzfeind der Christenheit zu schließen. Frauen, Kinder, Männer … meine Gemahlin! Mit einem so gewaltigen Pfand könnte er mich erpressen, ich wäre gezwungen, ihm den Purpur zu überlassen. Vater im Himmel und alle Heiligen, steht uns bei!«
Eine Ordonnanz trat vor den Tisch des Imperators, salutierte und überreichte Rufus ein Schreiben. Der Imperator nahm es entgegen, überflog es rasch und sagte dann zu Marcus Aventinius: »Zur Abwechslung eine gute Nachricht. Das in Alexandria stationierte
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