Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Franklin den Text der Nachricht niedergeschrieben hatte. Schließlich drückte er Andreas das Papier in die Hand. »Ist das ausreichend verständlich, was meinst du?«
Andreas überflog die Zeilen und runzelte verwundert die Stirn.
» An Marcellus Sator: Sofort alles brennbare Öl in Rom beschlagnahmen und zum Transport auf der Via Aurelia vorbereiten. Wozu soll denn das gut sein, Franklin?«
»Das erkläre ich dir später. Jetzt muss erst diese Nachricht abgeschickt werden, jede Minute zählt.«
Andreas übergab den Zettel an den Operator und sagte mit Nachdruck: »Das ist eine äußerst dringende Meldung. Setzt in die Kennung am Anfang, dass sie mit Vorrang behandelt und zur Station des Officium Foederatii auf dem Palatin in Rom geleitet werden muss, habt Ihr verstanden?«
Der Mann bejahte und machte sich an die Arbeit. Während er die knarrenden Hebel zog und dadurch die Flügel hoch oben am Signalmast so verstellte, dass sie die Worte der Botschaft im Code des Innuetors korrekt weitergaben, gingen Andreas und Franklin schon wieder die schmale Treppe hinunter.
»Und jetzt sag mir, was die Sache mit dem Öl zu bedeuten hat«, drängte Andreas.
»Also, was glaubst du, haben die Franken vor? Was wird wohl das direkte Ziel ihrer Armee sein, na?«
»Natürlich Rom, was sonst? Was soll diese Frage?«
Franklin grinste. »Das denken bestimmt alle. Und hast du auch mal darüber nachgedacht, was die Franken machen sollen, wenn sie vor den gewaltigen Stadtmauern Roms stehen? Belagerungsgerät werden sie wohl kaum über die Alpen geschleppt haben, und an Ort und Stelle welches zu bauen, ist auch witzlos. So riesige Rammböcke und Belagerungstürme, wie für die Aurelianische Mauer nötig wären, kann man nicht einfach mal eben zusammennageln. Und überhaupt, warum sollten sie sich ihre Schädel an den Mauern einrennen, wenn ihnen Rom mühelos als Geschenk mit ’ner großen Schleife drumherum in den Schoß fallen kann?«
Andreas blieb stehen. »Wie meinst du das? Glaubst du, dass Verräter in der Stadt sind, die ihnen die Tore öffnen, oder gar …«
»Ach was. Bloß nicht so melodramatisch. Nein, die Sache ist viel simpler. Was hast du mir über Portus Romae erzählt? Dass nur dort die Schiffe anlegen können, die das unersetzliche Getreide aus Africa bringen. Und jetzt stell dir mal vor, die Franken besetzen den Hafen. Wie lange würden die vielen Hunderttausend Einwohner Roms wohl ohne Brot auskommen? Und wie lange würde es dauern, bis sie sich ergeben müssten, wenn sie nicht jämmerlich verhungern wollen?«
Erschrocken fasste sich Andreas an den Kopf. »Mein Gott, du hast recht. Das wäre für die Franken der einfachste Weg, so würden sie Rom ohne einen Schwertstreich erobern. Aber … was hat das mit dem Öl zu tun?«
»Ich glaube, ich weiß, wie wir den Franken einen Strich durch die Rechnung machen können«, sagte Franklin und zog Andreas am Ärmel. »Das erzähle ich dir ganz genau, sobald wir wieder im Sattel sitzen. Los, beeil dich. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt.«
44
Rom
In der Kaiserresidenz
Szenen aus der Geschichte Roms zierten die gewölbte Decke der Aula Imperii. Obwohl die Höhe, in der sie sich befanden, dem Auge die Details entzog, hatte die Hand des Meisters mit feinem Strich Figuren geschaffen, deren Lebensnähe und Körperhaftigkeit sie fast greifbar erscheinen ließ. Gaius Julius Caesar, Augustus, Traian, Konstantin der Große, Rufus I., Constantia, sie alle waren hier verewigt und blickten von oben hinab auf die zahlreichen Menschen, die sich zwischen den mächtigen Porphyrsäulen vor dem erhöhten Thronpodest versammelt hatten.
Da waren die im Zentrum stehenden Senatoren, die zu diesem Anlass ihre würdevollen, traditionsreichen Amtsgewänder angelegt hatten: Schlichte weiße Togen mit einer schmalen Purpurborte. Neben den Vertretern des römischen Volkes standen die Präfekten und die Vertreter der Föderaten, der Ostgoten, Westgoten, Sueben und Vandalen. Flankiert wurden sie von den Gesandten der Langobarden in germanischer Fürstentracht mit weiten Umhängen, engen Hosen und Wämsern aus kostbaren Samtstoffen sowie den Vertretern König Boris’ von Bulgarien, wilden Gestalten, deren Köpfe bis auf einen zum Zopf geflochtenen Haarschopf völlig kahl rasiert waren und deren Kleidung aus braunem, glänzendem Leder reich mit Pelz besetzt war. Die großen Kreuze, die sie an schweren goldenen Ketten um den Hals trugen, wirkten beinahe deplatziert
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