Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
bei diesen Slawen, die wie das Urbild eines heidnischen Steppenvolkes erschienen.
Sie alle hatten, dem Protokoll entsprechend, in angemessenem Abstand vom Thronpodest Aufstellung genommen, auf dem sich vor der Kulisse des gewaltigen Adlers, der an der Marmorwand seine Schwingen ausbreitete, die Prunksessel des Kaiserpaares befanden. Und vor diesem erhabenen Hintergrund stand Krista Scorpia und sprach zu den Anwesenden. Anders als bei ihrem überstürzten Erscheinen vor dem Volk einige Wochen zuvor hatte sie diesmal den vollen imperialen Ornat angelegt, auf dem Kopf trug sie das silberne Kaiserdiadem und um den hochgewachsenen, schlanken Körper war kunstvoll die in reinem Purpur strahlende Toga drapiert, die zu tragen nur dem Kaiser und der Kaiserin zustand.
»Nun wisst Ihr, in welcher Gefahr sich Rom befindet«, sagte sie, und die hohen Wände des Saals ließen ihre Stimme widerhallen. »Und ich frage Euch: Werdet Ihr Rom in der Stunde der Bedrängnis beistehen?«
Sofort trat Herzog Hartmut, der Gesandte der Langobarden, vor und antwortete entschlossen: »Imperatrix, wir haben nicht vergessen, mit welcher Niedertracht Karl, der auf ewig in der Hölle brennen möge, Prinzessin Desiderata behandelt hat! Schon das alleine ist für uns Grund genug, mit unserer ganzen Kraft an Roms Seite zu kämpfen. Im Namen von König Gerold gebe ich Euch mein Wort, dass in drei Wochen ein langobardisches Heer von zwölftausend Mann vor den Toren Roms erscheinen wird, um Euch in Eurem Kampf gegen die Franken zu unterstützen!«
»Und was ist mit den furchterregenden Waffen, mit denen die Franken zwei ganze turmae des römischen Heeres aufgerieben haben?«, ertönte die tiefe, gutturale Stimme des bulgarischen Gesandten. »Mit den Waffen, die wie tausendfacher Donner dröhnen und deren Geschosse aus hundert Schritt Entfernung Schilde und Rüstungen durchschlagen? Wollt ihr törichten Langobarden Euch diesem Teufelswerk entgegenstellen, Herzog Hartmut?«
Zwischen Langobarden und Bulgaren herrschte schon seit Jahrhunderten eine Rivalität, die zwar niemals stark genug gewesen wäre, um zu offenen Feindseligkeiten zu führen, die sich jedoch immer wieder in abschätzigen Äußerungen und höhnischen Spitzen eines Volkes gegen das andere entlud.
Und so ließ sich der Langobardenherzog auch diese Gelegenheit nicht entgehen und antwortete mit gönnerhafter Überlegenheit: »Wir Langobarden fürchten keinen Feind, und sollte er alle Dämonen der Hölle in seinen Reihen versammelt haben. Wenn Ihr Bulgaren jedoch Angst habt, Fürst Miroslaw, so wird Euch niemand einen Vorwurf machen, falls Ihr es vermeidet, Euch den Franken zum Kampf zu stellen.«
Nichts hätte einen Angehörigen des kriegerischen Slawenvolkes tiefer treffen können als die Unterstellung von Angst, dazu noch aus dem Munde eines Langobarden.
»Davon kann gar keine Rede sein!«, erwiderte Miroslaw trotzig und lautstark. »Imperatrix, wie es unser Bündnis mit Rom vorsieht, werden wir dem Imperium zur Seite stehen. Im Namen von König Boris verspreche ich, dass binnen eines Monats ein bulgarisches Reiterheer in Venetien eintreffen wird.«
Danach traten die Vertreter der Föderaten vor und erklärten, dass alle Veteranen der auxiliarii einberufen und sämtliche verfügbaren Truppen an den Grenzen des Frankenreiches zusammengezogen würden, um so bald wie möglich in das Land des Feindes einfallen zu können, und der Militärtribun kündigte die rasche Aushebung neuer Einheiten in allen Provinzen des Weströmischen Reiches an.
»Wirklich, Ihr enttäuscht mich nicht«, sagte die Kaiserin anerkennend, nachdem alle zu Ende gesprochen hatten. »Die Entschlossenheit, mit der Ihr dem Frankenkönig entgegenzutreten bereit seid, obgleich er uns mit mächtigen, unbekannten Waffen angreift, kann jeden von Euch mit Stolz erfüllen. Ich will nicht verschweigen, dass wir uns in großer Bedrängnis befinden, denn das Heer der Franken wird vor den Toren Roms stehen, bevor Eure Hilfe bei uns eintrifft. Doch sie werden nicht durchkommen! Wenn es dem Herrn gefällt, werden wir sie aufhalten. Heute Morgen hat uns die Meldung erreicht, dass der Imperator von den Plänen Karls Kenntnis erhalten hat und sich bereits mit den Legionen auf dem Rückweg aus dem Osten befindet. Gemeinsam werden wir dem Frankenkönig beweisen, dass Unrecht und Arglist ihre gerechte Bestrafung nach sich ziehen!«
Dein Wort in Gottes Ohr, dachte Marcellus Sator.
Er bewunderte das Talent der Kaiserin, wirkungsvolle
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