Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Vorahnung in der Stimme.
Nun spürte Andreas es auch. Irgendetwas hatte sich verändert, während sie miteinander gesprochen hatten. Doch was?
»Sieh doch!«, entfuhr es Claudia. Andreas wandte den Kopf ein wenig und sah, was sie meinte. Aus dem Mund des Satyrs sprudelte kein Wasser mehr.
Das Plätschern des Brunnens war verstummt.
Maxianus Agricola, der magister aquaeductii, verantwortlich für die Versorgung Roms mit Wasser, war ein kleiner, schmächtiger Mann mit schütterem Haar; es war offensichtlich, dass er weitaus besser mit Fragen der Gefälleberechnung und des Brunnenbaus vertraut war als mit den Problemen des Krieges.
Sein Gesicht war bleich, als er nun im Kartensaal des Officium Foederatii vor Krista Scorpia, Marcellus Sator, Andreas Sigurdius und Franklin Vincent stand, die sich hier versammelt hatten, um seinen Bericht zu hören. Und was er mit unsicherer Stimme zögerlich vortrug, bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Die Franken hatten die große Hauptleitung, die zu den Aquädukten Aqua Traiana und Aqua Alsietina führte und Rom mit frischem Wasser aus dem unerschöpflichen Reservoir des Lacus Sabatinus versorgte, unterbrochen. Damit nicht genug, hatte auch noch ein machinator, der den Schaden aus der Nähe begutachten sollte, den Tod gefunden. Die Franken, auf einer Anhöhe verschanzt, hatten ihn niedergeschossen.
Marcellus Sator fiel es sichtlich schwer, seiner Wut nicht freien Lauf zu lassen. Er hatte während der Vorbereitungen zur Verteidigung Roms die Leiter aller städtischen Ämter ausdrücklich angewiesen, ihn über alles zu informieren, was im Falle einer Belagerung von Bedeutung sein könnte. Doch Maxianus Agricola hatte es offenbar nicht für nötig befunden, den Präfekten über Roms größte Schwachstelle in Kenntnis zu setzen. So erfuhr Marcellus Sator erst jetzt, dass die von Norden und Osten in die Stadt führenden Aquädukte durch den langen, heißen Sommer bis auf klägliche Rinnsale versiegt waren und kaum noch genug Wasser lieferten, um auch nur einen winzigen Bruchteil der sechshunderttausend Einwohner ausreichend zu versorgen. Andreas vermutete, dass sich Marcellus nur deshalb nicht zu einem Ausbruch des Zorns hinreißen ließ, weil er das für hoffnungslos ineffizient ansah.
Auch die Kaiserin war ungehalten.
»Ihr wisst, dass ich solche Pflichtvergessenheit nicht dulden kann, Maxianus«, sagte sie mit drohender Stimme, und es schien, als würde der magister aquaeductii noch um einiges kleiner werden. »Ihr werdet Euch dafür zu verantworten haben. Ihr habt uns in eine sehr gefährliche Lage gebracht. Ich will wissen, wie lange die Stadt von ihren Reserven leben kann.«
Mühevoll und fast weinerlich antwortete der kleine Mann: »Imperatrix … Rom hat keine Wasserreserven.«
»Sagt, dass das nicht wahr ist!«, rief Krista Scorpia aus. »Was ist mit den Zisternen? Sind sie etwa leer?«
»Sie waren seit Jahrzehnten nicht mehr gefüllt, Imperatrix«, sagte Maxianus stockend und verängstigt. »Seit der Erweiterung der Leitungen vom Lacus Sabatinus vor dreißig Jahren hat es nie eine ernstliche Wasserknappheit gegeben … daher wurden alle Zisternen trockengelegt, damit ihr Mauerwerk von der ständigen Feuchtigkeit nicht unnötig in Mitleidenschaft gezogen wird …«
Marcellus Sator trat auf den zitternden Mann zu, ganz nah, und sagte dann leise und schneidend: »Und Ihr habt es also nicht für ratsam gehalten, trotz einer drohenden Belagerung die Zisternen rechtzeitig wieder zu füllen? Ist das noch himmelschreiende Unfähigkeit … oder ist es schon Verrat?«
Die letzten Worte des Präfekten ließen Maxianus zusammenbrechen, er fiel zu Boden, jammerte, schluchzte und versicherte wieder und wieder, dass er kein Verräter sei. Schließlich rief Krista Scorpia die Wache; zwei Prätorianer erschienen und schleppten den immer noch um Gnade flehenden und seine Unschuld beteuernden Mann aus dem Saal.
»Nein, ein Verräter ist er ganz bestimmt nicht«, sagte Marcellus, als sich die große Doppeltür wieder geschlossen hatte. »Nur ein unglaublicher Idiot. Das Tribunal wird darüber zu befinden haben, was mit ihm geschehen soll. Was uns betrifft, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir einen Ausweg aus dieser üblen Lage finden. Franklin Vincent, ich benötige nun Eure Hilfe. Ihr kennt Euch als Einziger mit der Wirkung der fränkischen Waffen aus. Würdet ihr zu dem Ort gehen, wo die Wasserleitung unterbrochen ist und dort die Stellung der
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