Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
hünenhaften König, der dazu noch von rasendem Zorn getrieben wurde, vermochte er nichts entgegenzusetzen. Karl schmetterte ihn gegen die Wand mit der großen Weltkarte. Der Hinterkopf des Generals schlug mit einem grässlichen Knirschen gegen die Mauer, und sofort sank sein Körper in sich zusammen.
Der König ließ los, und Wibodus sackte schlaff zu Boden. Auf der Landkarte blieb ein handgroßer Blutfleck zurück, fast genau neben der Darstellung Roms. Laut rief Karl mehrmals nach der Wache, und nur Augenblicke später wurden die Türen aufgestoßen und zwei Soldaten der Scara eilten in den Saal. Noch immer vor Wut kochend, zeigte Karl auf den blutenden, röchelnden Wibodus, der zusammengesackt am Boden lag und befahl: »Nehmt den da mit und hängt ihn! Sofort!«
Der eine Soldat, ein Unteroffizier, zögerte einen Moment. »Mein König … aber … der General liegt im Sterben …«
»Er soll auch krepieren!«, schrie Karl rasend vor Wut. »Aber auf meinen Befehl, verstanden? Los, schafft ihn mir aus den Augen und legt ihm den Strick um den Hals! Weg mit ihm!«
Eingeschüchtert und verängstigt durch den Zorn ihres Herrschers packten die zwei Soldaten den schwer verletzten Wibodus an Armen und Beinen und schleppten ihn eilig fort.
Eine rote Spur blieb auf dem weißen Marmorfußboden zurück.
Luitgard war fassungslos. »Du kannst das nicht verlangen, Karl«, sagte sie eindringlich. »Ich bleibe bei dir, ganz gleich, was auch kommen mag.«
Der König schüttelte den Kopf. »Nein, das wirst du nicht. Die Römer kommen, sie werden Trevera einnehmen, und ich kann sie nicht mehr aufhalten. Ich will nicht, dass du als Gefangene nach Rom gebracht wirst, um dann mit goldenen Ketten an Händen und Füßen als lebende Siegestrophäe im Triumphzug durch die Stadt geführt zu werden, unter den Augen des johlenden Pöbels.«
Die Königin fasste Karl bei den Händen. Noch nie hatte sie ihren Gemahl so traurig und bedrückt gesehen wie bei diesen Worten. Seine sonst so klaren, strahlenden Augen waren trübe, als würden jeden Moment Tränen aus ihnen hervortreten. »Wenn dieser Gedanke für dich so furchtbar ist«, meinte sie leise, »werde ich tun, was du verlangst.«
Karl lächelte erleichtert und kaum sichtbar. »Ich danke dir. Die Reisewagen stehen schon bereit. Fahre mit meinen Töchtern nach Flandern, dort werdet ihr gemeinsam mit meinem Sohn ein Schiff besteigen, das euch nach Britannien bringt. König Offa von Mercia ist mein Freund, er wird euch aufnehmen. Ich gebe dir den Reichsschatz mit … was davon übrig ist. Viel ist es nicht, mein Gold ist für die Vorbereitungen zu diesem unseligen Krieg dahingeschmolzen. Aber es wird euch ein angemessenes Leben ermöglichen.«
»Und was wird mit dir geschehen?«, fragte Luitgard besorgt.
Karl fuhr ihr noch einmal mit den Fingern über das rötlich schimmernde Haar.
»Das«, antwortete er schwermütig, »weiß Gott allein.«
Die Palastkapelle lag in freudlosem Halbdunkel, nur einige Kerzen auf hohen Bronzeständern spendeten ein wenig Licht. Karl kniete vor dem alten Porphyraltar und flehte zu Gott. Er war sich jetzt sicher, dass diese Niederlage, dass der unabwendbare Untergang seines Reiches die Strafe des Himmels waren. Der Herr hatte ein Wunder geschehen lassen, hatte ihm eine heilige Aufgabe übertragen, wie sie noch keinem Sterblichen zuvor je zuteilgeworden war. Und er hatte diese unfassbare Gnade ignoriert, hatte dem göttlichen Willen zuwidergehandelt und es vorgezogen, sich selbst in eitlem Streben zu erhöhen. Er hatte den Allmächtigen gelästert und herausgefordert, nun traf ihn die Strafe für seinen Hochmut. Und hinzu kam noch die unerträgliche Gewissheit, dass er auf ewig seines Seelenheils verlustig gegangen war, dass er in die Hölle hinabfahren würde, um dort für seine Sünden zu büßen.
»Herr, ich flehe dich an!«, rief er verzweifelt aus und blickte mit feuchten, geröteten Augen hinauf zum großen Kreuz auf dem Altar. »Gib mir eine Möglichkeit, Deine Gnade zurückzuerlangen! Bitte vergib mir meinen Irrweg! Wenn es etwas gibt, das ich tun kann, was immer es auch sei, gib mir ein Zeichen! Nur verlasse mich nicht!«
»Es gibt eine Möglichkeit«, sagte eine klare, feste Stimme hinter ihm. Karl drehte sich herum und sah dort Einhard stehen, der unbemerkt die Kapelle betreten hatte.
Der König sprang auf und fasste seinen Oberkämmerer an den Schultern. »Einhard, warum habe ich nur nicht auf Euch gehört?«, sagte Karl
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