Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
nur kann.«
Die beiden Männer standen inmitten des römischen Lagers, wo alles von eiliger Betriebsamkeit erfüllt war, denn die Armee bereitete sich auf den Abmarsch vor. Sie würde die Reste des fränkischen Heeres verfolgen und ins Herz des Frankenreiches vordringen. Weder durften die verbliebenen Truppen der Kern einer neuen fränkischen Streitmacht werden noch sollte Karls Reich je wieder zu einer Gefahr für Rom werden können. Verzichtete man darauf, den König jetzt für seinen Verrat zur Rechenschaft zu ziehen und das augenblicklich schutzlose Frankenreich für alle Zeiten zu zerschlagen, so würde man den mit so großen Opfern erkauften Sieg verschenken, darin waren sich der Imperator und seine Generale einig. Und Franklin Vincent, dessen Sorgen Rufus Scorpio bekannt waren, hatte vom Kaiser selber die Erlaubnis erhalten, die römische Armee auf ihrem Zug nach Norden zu begleiten.
»Und das, obwohl sich deine Hochzeit dann wieder um Wochen verschieben wird? Andreas, du bist ein echter Freund«, sagte Franklin bewundernd.
»Du aber noch viel mehr«, entgegnete der Ostgote.
Das Lob schien den sonst so selbstbewussten Zeitreisenden zu beschämen. »Nicht doch«, meinte er bescheiden, »du weißt ja gar nicht, wie du übertreibst.«
52
Trevera
Im Palast Karls
Die Nachwehen des ersten Herbststurms ließen den Regen gegen die Fenster klatschen. Es war empfindlich kühl geworden, und so saßen Karl und seine Gemahlin Luitgard nahe am wärmenden Kamin, in dem ein flackerndes Holzfeuer knisterte. Sie vertrieben sich die Zeit mit einem Spiel, das aus den fernen Ländern des Orients stammte und das der Frankenkönig für gewöhnlich sehr schätzte. Das Verschieben der Bauernsoldaten, der Kriegselefanten und der anderen Figuren auf dem in schwarze und weiße Felder unterteilten Brett mit dem Ziel, den eigenen König zu schützen und des gegnerischen habhaft zu werden, erinnerte ihn an den Krieg, an eine Schlacht mit all ihren taktischen Herausforderungen und Finten. Doch in der letzten Zeit war er nicht recht bei der Sache, so auch heute wieder. Mit seinen Gedanken war er bei seiner Armee, von der er nun schon seit Wochen keine Nachricht hatte, seitdem sie sich angeschickt hatte, die Alpen zu überqueren. Mittlerweile musste in Italien die Entscheidung gefallen sein, und obgleich Karl keinen Zweifel hatte, dass über dem Palatin jetzt die Standarte mit dem schwarzen fränkischen Adler wehte, ließ sich die Unruhe nicht verdrängen.
»Karl, du solltest besser achtgeben«, sagte Luitgard. »Mit deinem letzten Zug hast du deinen Bischof meinem Streitwagen preisgegeben.«
Überrascht blickte der König auf das Spielbrett und stellte fest, dass Luitgard recht hatte. Kopfschüttelnd sagte er: »Verzeih mir … aber meine Gedanken kreisen unentwegt darum, was wohl mit Wibodus und meinem Heer sein mag. Wenn ich nur endlich Gewissheit hätte …«
In diesem Moment öffnete sich der schwere Vorhang vor der Tür und ein Diener trat in das Zimmer.
»Vergebt bitte die Störung, mein König«, sagte er zögerlich, »doch General Wibodus ist soeben eingetroffen. Er wartet im kleinen Audienzsaal und bittet darum, Euch sofort sprechen zu dürfen.«
»Endlich!«, rief Karl aus und sprang von seinem Sessel auf. Er entschuldigte sich bei der Königin und versprach ihr, das Spiel fortzusetzen, sobald die Fragen des Krieges geklärt wären. Dann machte er sich ungeduldig auf den Weg, um aus dem Munde des siegreichen Oberbefehlshabers seines Heeres zu hören, dass er sich nunmehr mit Fug und Recht Karl der Große, König der Franken und römischer Imperator nennen durfte.
»Nein!«, schrie Karl. »Nein! Nein! Ihr … Ihr … wie konntet Ihr …«
»Bitte, mein König«, versuchte Wibodus seinen Herrn zu beschwichtigen. Er stand unrasiert, bleich und übernächtigt vor Karl, seine Kleidung war vom langen Ritt verdreckt, durchnässt und zerdrückt. »Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Die Römer werden Rache nehmen wollen, sie werden versuchen, Eurer habhaft zu werden. Wir müssen neue Truppen ausheben, wir …«
»Schweig! Du gottverfluchter Versager! Was hast du getan! Dafür wirst du büßen!«, brüllte der König.
Mit tiefrotem Kopf und an den Schläfen hervorquellenden Adern stürzte er auf den General zu und packte ihn am Kragen. Wibodus versuchte verzweifelt, sich seinem Griff zu entwinden, doch es gelang ihm nicht. Er mochte einige Jahre jünger sein als Karl, doch dem
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