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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Leben erfüllt.
    Petrus Miles kauerte hinter seinem Schreibtisch, beobachtete regungslos das Spiel des Lichts, den Tanz der Reflexe im goldenen Stein aus dem hohen Norden und fühlte sich verhöhnt. Er stand vor einem finsteren Abgrund, vor dem es kein Zurückweichen mehr gab und aus dessen Tiefe er schon den kühlen, klammen Lufthauch aufsteigen spürte. Es würde nicht lange dauern, dann würden seine Landsleute, die er verraten hatte, hier sein. Zu spät hatte er begriffen, wie sehr er sich von Karl hatte täuschen lassen, wie der Oberkämmerer des Frankenkönigs, dieser hinterhältige Mönch, seine Schwäche erkannt und ausgenutzt hatte.
    Einhard hatte rasch herausgefunden, dass der Legat einen unbeschreiblichen Hass auf alle Arianer in sich trug. Petrus Miles glaubte, dass die Arianer eine verschworene Gemeinschaft bildeten, mit dem Ziel, die nicaeischen Lateiner aus allen wichtigen Positionen im Weströmischen Reich zu verdrängen, um selber die herrschende Schicht des Imperiums zu werden und die Nicaeer zu unterjochen. Seine Ursache hatte dieser Wahn des Gesandten im Tod seiner Ehefrau Jahre zuvor. Ein Einbrecher, zufälligerweise ein Suebe arianischen Glaubens, hatte sie ermordet. Man konnte den Mann fassen, und da er geständig war, hatte der Richter ihn nicht zur Hinrichtung verurteilt, sondern zu lebenslanger Zwangsarbeit. Petrus Miles war außer sich gewesen, dass man den Mörder seiner geliebten Martina nicht unter allen nur erdenklichen Qualen vom Leben zum Tode brachte, und er glaubte schnell, den Grund für die vermeintlich ungerechtfertigte Milde gefunden zu haben: Der Richter war ein Vandale, ein Arianer. Von diesem Tage an hatte für Petrus Miles unverrückbar festgestanden, dass die Arianer sich gegenseitig schützten, förderten und nach der Macht im Imperium strebten. Und wohin er auch geblickt hatte, überall glaubte er Beweise dafür zu sehen.
    So war es Einhard nicht schwer gefallen, dem Legaten einzureden, es sei das alleinige Ziel Karls, das Imperium von der arianischen Pest zu reinigen, damit es frei von Häresie und Verschwörung in alle Ewigkeit in gottgefälliger Weise fortbestehen könne. Willig hatte Petrus Miles den Oberkämmerer mit allen Informationen über das Weströmische Reich versorgt, nach denen der mächtige Mönch verlangt hatte.
    Zu spät, viel zu spät, war dem Gesandten aufgegangen, wie sehr er sich geirrt hatte. Nach wie vor bohrte in ihm zwar der Hass auf die Arianer; doch stärker war nun die Verzweiflung, denn ihm war klar geworden, dass er zum Verräter geworden war. Dass er Karl bei den Vorbereitungen zu einem Krieg geholfen hatte, in dem es dem Frankenkönig einzig und allein um die Macht gegangen war, nicht um den Glauben. Dass er daran mitgewirkt hatte, das Imperium, das er doch hatte retten wollen, an den Rand der Katastrophe zu führen.
    Sie würden es herausfinden. Sie würden ihn zur Rechenschaft ziehen.
    Er blickte auf. Der Sonnenstrahl war weitergewandert und ruhte nun auf der polierten Marmorplatte des Schreibtisches, in dessen Mitte ein gläserner Becher mit einer bräunlichen Flüssigkeit stand. Der letzte Fluchtweg, der ihn vor einen höheren Richter führen würde.
    Ich habe alles verloren, dachte er, also brauche ich mein Leben auch nicht mehr.
    Und er ergriff den Becher und leerte ihn in einem Zug.
        
     

55
     
    Trevera
Im Palast Karls
     
    Nichts und niemand hatte sich den Römern in den Weg gestellt. Die mächtigen Flügel des schwarz verfärbten nördlichen Stadttores hatten weit offen gestanden, die Wachen waren von den Mauern verschwunden. Kein Mensch hatte sich in den Straßen Treveras blicken lassen, die Bewohner der Stadt waren entweder bei der Nachricht vom Herannahen der Römer in die Hügel zu beiden Seiten des Moseltals geflohen oder hatten sich furchtsam in ihren Häusern verborgen. Ihre Angst war aber unbegründet, die Soldaten sehnten sich viel zu sehr nach einem Dach über dem Kopf und einem wärmenden Feuer, um am Plündern interessiert zu sein.
    Die Handvoll Männer der Scara, die das große Eingangstor des Palastes bewachten, hatten beim Anblick der Römer sofort die Waffen von sich geworfen und dem Imperator mit seiner Begleitung widerstandslos den Weg in die Residenz ihres Königs, das Herz des Frankenreiches, freigegeben. Nun schritt Rufus VIII., Imperator Occidentalis, durch die Gänge und Säle, wohl wissend, dass dies ein bedeutender Moment war. Nach über drei Jahrhunderten war Rom an die Mosel zurückgekehrt.

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