Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
auf die Zunge beißen können! Soeben hatte Aethelred etwas Falsches gesagt. Und er hatte seinen Mund nicht halten können und ihn auch noch korrigiert!
»Wie … oh, ja! Natürlich, Rufus Scorpio. Wie konnte ich nur … oh, wie die Zeit vergeht … ich sollte zu Bett gehen, denn ich habe morgen vieles zu erledigen und werde meinen Schlaf brauchen. Ich danke Euch für das anregende und interessante Gespräch, Andreas Sigurdius, und wünsche Euch eine gute Nacht.«
Der Angelsachse ergriff seinen Mantel und verließ rasch die Gaststube. Andreas blieb alleine zurück, blickte in seinen Weinbecher und dachte über das nach, was er eben erlebt hatte. Aethelred hatte sich bestimmt nicht versprochen. Aber wie konnte ein Mann, dessen Wissen über die römische Geschichte so erstaunlich gut war, plötzlich einen so groben Fehler machen? Zu behaupten, Odoaker sei in Ravenna eingezogen, war genauso krass falsch wie die Behauptung, Chrosoes habe Konstantinopel eingenommen. Und wieso hatte Aethelred kein Wort über die Schlacht von Faventia verloren, in der der Verräter Odoaker seinen verdienten Tod gefunden hatte? Oder darüber, dass Rufus Scorpio sein gesamtes riesiges Vermögen eingesetzt hatte, um sein Heer aufzustellen? Dass er insgeheim Kontakt zum jungen Ostgotenkönig Theoderich aufgenommen hatte, um sich seiner Unterstützung zu versichern? Der ganz offensichtlich doch historisch hochgebildete Aethelred hatte Tatsachen, mit denen im Imperium jedes Schulkind vertraut war, mit keiner Silbe erwähnt. Andreas fragte sich, wie das zu erklären sein konnte. Auf jeden Fall wollte er ein Auge auf den Angelsachsen haben und ihn noch einmal gründlich in die Zange nehmen, sobald sich eine günstige Gelegenheit bot. Aber fürs Erste hatten andere Dinge Vorrang, es gab noch viel zu erledigen.
Er blickte von seinem Becher auf und musste feststellen, dass er der letzte Gast im Raum war, die Wirtin wischte bereits mit demonstrativer Ungeduld die Tische ab. Er trank noch schnell den kleinen verbliebenen Rest Wein aus, ließ einige Kupfermünzen auf dem Tisch zurück und ging müde zu seinem Zimmer.
Die folgenden Tage verliefen für Andreas ruhelos. Er verließ den »Roten Drachen« in aller Frühe und kehrte erst spätabends zurück, mit Aethelred traf er dabei nicht zusammen. Aber er wurde den Angelsachsen dennoch nicht los, denn bei seinen Besuchen im Badehaus auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes erfuhr er durch Zufall, dass Aethelred zu anderen Zeiten ebenfalls dorthin kam und sich jedes Mal einen abgesonderten Baderaum mietete, und das sogar täglich. Aber er konnte endlich auch die ersten Informationen zusammentragen, aus denen er ein Bild zusammenzufügen versuchte. Es wollte ihm jedoch noch nicht gelingen, die Zusammenhänge – falls es überhaupt welche gab – zu verstehen.
Andreas hatte bald herausgefunden, dass die Soldaten der Scara in ihrer dienstfreien Zeit ihren Sold in den Tavernen und zwielichtigen Lokalen entlang des Moselufers ließen. Es war nicht schwer, dort mit ihnen ins Gespräch zu kommen; jedenfalls einfacher, als die dort arbeitenden Frauen mit ihren eindeutigen Angeboten abzuwimmeln. Allerdings fiel es Andreas beim Anblick der Prostituierten leicht, auf ihre Dienste zu verzichten.
Was die Soldaten betraf, war nicht mehr nötig als ein Krug Wein, um sie in redselige Stimmung zu versetzen. Natürlich musste er sich viel Unsinn anhören. Noch nie in seinem Leben war er mit so vielen Schilderungen von Problemen mit zänkischen Ehefrauen, unausstehlichen Vorgesetzten, magerem Sold und miesem Essen konfrontiert worden. Und dennoch schaffte er es, in dem Berg von Nebensächlichkeiten das eine oder andere interessante Körnchen zu finden.
Zum Beispiel, dass der Dienst in den vergangenen drei Jahren deutlich härter geworden war. Fast alle beklagten sich, dass sie ständig gedrillt wurden und kaum noch Ausgang bekamen. Schon wieder drei Jahre! Irgendwas musste vor drei Jahren passiert sein, das einen bedeutenden Einfluss auf die Vorgänge an der Spitze des Frankenreiches hatte. Was konnte das gewesen sein?
Jedenfalls hatten nach dem siegreichen Feldzug gegen die Sachsen die Soldaten geglaubt, ihr Leben würde nun wieder leichter werden. Ihre Hoffnung wurde enttäuscht, denn das Heer wurde verstärkt und die Ausbildung sogar noch intensiver.
Ein narbengesichtiger Unteroffizier erzählte Andreas nach einigen Bechern Wein beiläufig ein Detail, dessen Bedeutung ihm noch unklar war, obwohl
Weitere Kostenlose Bücher