Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
meine Hündin nicht sehen. Dafür sehe ich sie .
Die Gestalt auf der Schaukel ist eine Frau. Ihre Haut ist unnatürlich weiß, sie trägt eine tiefschwarze Sonnenbrille. Eine Cupid , das erkenne ich sofort. Lässig hat sie einen Fuß auf die Sitzfläche gestellt, auf ihrem Knie ruht eine Armbrust, mit der sie in meine Richtung zielt. Doch sie scheint mich in meinem Versteck nicht sehen zu können. Wenn sie ihre Waffe abfeuert, wird sie mich um einen guten Meter verfehlen. Wieder ein Winseln von der anderen Seite. Keine Zeit, nachzudenken.
Ich betrachte das Messer in meiner Hand, dann klemme ich es in meinen Gürtel. Auf diese Entfernung ist es nutzlos. Ich wurde für den Nahkampf ausgebildet, doch meine Gegnerin ist feige. Die Cupids lassen es nur ungern auf direkte Konfrontationen ankommen. Sie nutzen Waffen, die auf größere Distanz wirksam sind: Armbrüste, Pfeil und Bogen, manchmal auch Speere. Soweit ich weiß, bauen sie sich alle Waffen selbst, nach uralten Plänen, in einer illegalen Schmiede, deren genauen Standort niemand kennt. Ohnehin gibt es niemanden in der Stadt, der es wagen würde, die seltsamen, weißen Kinderhäscher zu entwaffnen. Also haben sie eine Art Narrenfreiheit, die den Londonern allzu oft zum Verhängnis wird.
Meine Finger tasten über den feuchten Boden und finden einen Stein. Leise richte ich mich auf. Die Cupid ist ebenfalls aufgestanden und schnüffelt in meine Richtung. Sicher hat sie meine Witterung schon aufgenommen. Ich hole aus und werfe den Stein in eine Hecke ein paar Meter neben mir.
Die Cupid fährt herum und feuert einen Pfeil in das Eibengebüsch. Ich sprinte los und haste auf die Brücke. Irgendwie muss ich auf die andere Seite gelangen, wenn ich sie aufhalten will. Wieder saust ein Pfeil durch die Luft, diesmal direkt auf mich zu. Im letzten Moment werfe ich mich nach links und springe in den Teich. Kaltes Wasser schwappt in meinen Mund, es schmeckt nach Eisen. Ich halte die Luft an und lasse mich ein Stück nach unten sinken. Es dauert nicht lange, dann sehe ich den Umriss der Cupid am Ufer. Noch habe ich Luft, also warte ich. Die Frau kommt näher und meine Lungen fangen an zu brennen. Noch ein paar Sekunden, dann ... Ich schnelle an die Oberfläche und greife nach ihrem Fuß, zerre sie zu mir in den Teich.
Die Cupid schreit und rudert haltlos mit den Armen, dann plumpst sie neben mir ins Wasser. Ich entreiße ihr die Armbrust und werfe sie auf die Wiese. Dann gestatte ich mir einen kurzen Blick zu Mali herüber. Sie hat den grauen Rüden zu Boden gerungen, er jammert leise. Ich wende mich ab und verpasse der Cupid einen Fausthieb. Ich fühle einen Widerstand, doch ich kann nicht erkennen, wo ich sie treffe. Wassertropfen spritzen mir ins Gesicht, dann spüre ich einen scharfen Schmerz in meiner Leiste. Ich blende das Gefühl aus und drücke meine Angreiferin nach unten. Sie japst und geht gluckernd unter. Ihre Hände krallen sich in meine Arme, drücken zu, aber ich lasse nicht los.
Ihre Gegenwehr lässt nach und als ich mir sicher bin, dass ich die Cupid erledigt habe, lockere ich meinen Griff. Gerade, als ich aus dem Wasser steigen will, höre ich schnelle Schritte im Unterholz, dann sehe ich zwei Gestalten vorbei eilen. Auch ihre Haut glänzt aschfahl im Mondlicht, ihre Augen sind hinter dunklem Glas verborgen.
»Nein!«, schreie ich und stemme mich aus dem Wasser. Ich schnappe mir die Armbrust und nehme einen festen Stand ein. Aus meiner Ausbildung weiß ich, wie man mit diesem Monstrum umgeht. Ich ziele, dann schieße ich kurz entschlossen. Mein Pfeil trifft einen der Cupids und lässt ihn zu Boden gehen. Der andere verlangsamt seine Schritte, dreht sich um und stürmt mit einem wütenden Knurren auf mich zu. Im gleichen Augenblick greift eine Hand aus dem Teich, umfasst mein Fußgelenk und zerrt an mir. Ich trete nach der Häscherin, aber ihr Griff ist erbarmungslos und bringt mich zu Fall.
Der andere Cupid ist nun über mir und richtet die glänzende Spitze eines Pfeils direkt auf meine Stirn, während ich auf dem Boden kauere. Ich wage es nicht, mich zu bewegen. Die Cupidfrau klettert indes aus dem Teich und entwaffnet mich. Sie nimmt mir nicht nur die Armbrust, sondern auch mein Messer ab und wirft es achtlos ins Gebüsch.
»Damit kommt ihr nicht durch«, sage ich. Meine Stimme zittert vor Wut und Anstrengung.
»Und wer will uns daran hindern?« Der Cupid lacht schnarrend. »Du etwa?«
Er versetzt mir einen Tritt gegen die Schulter, doch ich gönne
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