Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
der Luft einen umherwehenden Zettel, der über unsere Köpfe getrieben wird.
»Mill Valley Fall Arts Festival, September 1986. Jetzt haben wir einen Anhaltspunkt.« Mein Scout deutet mit dem Finger auf den Zettel. »Das Papier ist mindestens einige Monate dem UV-Licht ausgesetzt gewesen. Hier, das Blatt war wahrscheinlich grün, aber die photolytische Reaktion hat ihm die Gelbfragmente entzogen und jetzt erscheint es bläulich. Das Schwarz auf dem Zettel hingegen ist noch recht kräftig. Ich schätze, dass er daher etwa vor sechs Monaten, vielleicht ein wenig mehr, gedruckt worden ist.«
»Aber dann muss es jetzt Frühling 1987 sein.«
Kay lacht kurz auf, da ich die Monate an meinen Fingern abgezählt habe. »Ja, ich schätze, es ist April. Wo hat deine Tante Rose 1987 gewohnt?«
Ich starre ihn an. »Tante Rose? In San Diego, glaube ich. Aber Jeremy ist doch nicht in den Achtzigern geboren. Wieso schicken sie uns denn in diese Zeit?«
»Alles andere wäre wohl zu leicht«, bescheidet Kay. »Bist du dir sicher mit deiner Tante und San Diego?«
»Ziemlich … Dad hat einmal erwähnt, dass sie dort als Tierpflegerin gearbeitet hat und geholfen hat, einen Pandabären zur Welt zu bringen, den sie nach ihr benannt haben.«
»San Diego … Das ist unmöglich zu schaffen. Was ist mit deinen Eltern? Lebten sie schon in dem Haus mit dem Apfelbaum?«
»Ich schätze schon.« Leider muss ich mir eingestehen, dass ich nichts über die Jugend meiner Eltern weiß. Wie alt mögen sie jetzt sein?
»Denk nach, Alison. Dein Vater ist jetzt siebenundzwanzig, deine Mutter vierundzwanzig Jahre alt. Wo waren sie?«
Verflucht, ist der Mann ein wandelnder Taschenrechner? Ich knete meine Finger, die ich eben zur Hilfe nehmen wollte, und versuche mich zu erinnern, aber Kay schiebt mich wortlos zur Seite, so dass ein Jogger seine Bahn unbeirrt weiterlaufen kann. Er trägt einen weiten, lilablauen Jogginganzug aus Ballonstoff und sein grellgelbes Stirnband wird von großen Kopfhörern fixiert, die in einen nicht weniger gelben Walkman gestöpselt sind. Im Lauf wirft er den Kopf zurück, um sich mit einem Nicken zu bedanken, und lächelt uns unter seinem dünnen Schnurrbart hindurch zu. Ich starre dem Mann nach. Alles an ihm schreit auf übertriebene Weise: »Achtziger Jahre«, und langsam beginne ich zu begreifen, dass ich mich tatsächlich in einer anderen Zeit befinde.
Und wie zur Bestätigung kommt eine kleine Gruppe Teenager aus der Richtung, in die der Jogger gelaufen ist, auf uns zu, die einen lärmenden, lächerlich großen Kassettenrekorder bei sich tragen. Der Sound klingt verzerrt und tatsächlich hält die Gruppe etwa fünfzig Meter von uns entfernt an, um eine Kassette, dessen Band sich abgespult hat, aus dem Gehäuse des Monstrums zu befreien. Einer der Jungs zieht einen Stift aus seiner blassblauen Jeansjacke und steckt ihn in die Kassette, um das Band Zentimeter für Zentimeter wieder aufzudrehen, während die anderen sich eine Zigarette anzünden und dabei zusehen.
»Die haben uns tatsächlich in die Achtziger portiert.« Ich deute auf die Gruppe.
Kay nickt nur kurz. Er wirkt unruhig und sieht nervös zu dem Händchen haltenden Pärchen, das fast die Brücke erreicht hat und eben aus dem tiefer werdenden Wasser steigt. Während sie ihre karottenförmige Jeans entkrempelt, kippt ihre hoch auf dem Kopf zusammengebundene Dauerwelle nach vorn und verheddert sich in ihren Papageiohrringen.
Plötzlich kommt mir eine Idee. Ich springe mit wenigen Sätzen auf den Mann zu, der seiner Freundin behilflich ist, ihre Haare von den Papageien zu trennen, und ignoriere Kays Aufschrei.
»Alison! Nein!«
Falls Mum und Dad schon in unserem Haus gewohnt haben, könnte ich sie anrufen. Unsere Telefonnummer ist nur fünfstellig, was bedeutet, dass wir sie vor ziemlich vielen Jahren zugewiesen bekommen haben müssten. Die jetzigen Nummern sind meistens acht- oder auch neunstellig. Wenn ich Dad erreichen könnte, würde uns das eine Menge Zeit sparen. Vielleicht wird er auflegen oder nicht da sein, aber einen Versuch ist es wert.
»Entschuldigung. Ich müsste ganz dringend telefonieren«, stoße ich schnell hervor, als ich den Mann erreiche, denn Kay sprintet bereits auf mich zu.
»Okay …« Der Mann blickt mich fragend an.
»Es ist wirklich dringend!«
Verständnislos schüttelt er den Kopf.
»Euer Mobiltelefon! Bitte! Es geht auch ganz schnell.« Es ist eine Lüge, aber egal.
In dem Moment erreicht mich Kay und packt mich am
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