Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
beachtet mich nicht. Mit der Hand am Ohr steht er vor der Wand, als würde er aus einem Fenster sehen. »Ja, verstanden.« Er nimmt die Hand eine Sekunde vom Ohr, um mit ihr den Monitor wiederzubeleben, und überfliegt die Werte, die dort angezeigt werden. »Die Dopaminwerte sind leicht erhöht, aber das stellt kein Problem dar. Sie kann portiert werden.« Er dreht sich um und mustert mich schweigend, die Hand immer noch ans Ohr gepresst. »In Ordnung«, sagt er schließlich, ballt die Hand einmal kurz zusammen und greift dann nach meiner. »Die Entzündung ist vollkommen abgeklungen. Wir werden Sie jetzt portieren. Der Prozess ist absolut schmerzfrei, aber Sie werden sich zunächst desorientiert fühlen. Schwindel, Übelkeit und Kribbeln sind normale Reaktionen, die nach kurzer Zeit wieder nachlassen. Alles Weitere erfahren Sie über den Marker. Bitte treten Sie zur Seite.«
»Wohin portiert? Nach Hause?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Ihr Marker wird Ihnen die vorgesehenen Auskünfte erteilen.« Er schiebt mich zur Seite, als ich mich nicht rühre.
Aus dem Boden hebt sich dort, wo ich eben noch stand, ein transparenter Zylinder. Er ist an einer Seite geöffnet. Drei Menschen würden darin Platz finden, so groß ist er.
»Bitte«, sagt der Ganzkörperstrampler und weist mit der linken Hand auf den Eingang. »Sie können sich darin bewegen, es ist nicht notwendig stillzustehen.«
»Wo ist Kay?« Ich will da nicht alleine rein.
»Wer?«
»Kay! Mein Scout.«
»Ich bin nicht befugt.« Ein angespannter Zug tritt in sein Gesicht. »Ich fordere Sie auf sich in den Scanner zu begeben. Wir folgen einem genau definierten Zeitplan und möchten keinen unnötigen Zwang anwenden.«
Widerstrebend trete ich in den Zylinder. Mir ist klar, dass ich nur einige Minuten gewinnen kann, sollte ich mich widersetzen, und auf keinen Fall will ich die fiesen Stäbe zu spüren bekommen so wie Kay.
Sofort schließt sich die Röhre und ein blauer Lichtspiegel zuckt zu meinen Füßen.
»Wir beginnen jetzt.« Der Mann legt seine Hand auf den Zylinder.
»Autorisierung erfolgt«, vernehme ich dumpf eine mechanische Stimme, dann fährt der Lichtspiegel erschreckend schnell meinen Körper empor. Als er meinen Hals erreicht hat, frage ich noch: »Und, sind Sie zumindest befugt, mir zu sagen, in welchem Jahr ich mich befinde?«
»Selbstverständlich.« Der Mann lächelt das erste Mal. »2417.«
Seine Worte flattern mir in auseinandergerupften Silben hinterher, wie einem Sog folgend, der mich aus ihrer Welt trägt. Über vierhundert Jahre! Kann das wahr sein? Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, setzt der Schwindel ein.
Jeremys neunten Geburtstag haben wir alle zusammen im Adventure-Land verbracht, einem Vergnügungspark, der allerdings nur Jeremy Vergnügen bereitet hat. Während er überglücklich war, endlich die notwendigen ein Meter vierzig erreicht zu haben, die erforderlich sind, um in die aufregenden Achterbahnen zu steigen, habe ich auf irgendeiner Mauer gehockt und mich gefragt, wie mein Bruder sich freiwillig eine solche Tortur antun kann. Endlose Loopings, rasante Berg- und Talfahrten und sich überschlagende, schaumstoffgepolsterte Sitze später hatte mein Bruder mich tatsächlich überredet in eine Schiffsschaukel einzusteigen.
Es war grauenvoll!
Immer wenn sich das Bug in schwindelerregende Höhen geschwungen hatte, blieb es eine Sekunde stehen und Jeremy schrie: »Guck mal! Sieh dir das an! Boaaah! Ist ja abgefahren!«
Dann zog sich mein Magen zusammen und wir wurden in die gegenüberliegende Richtung geworfen. Selbst mit größter Willenskraft wäre es mir nicht möglich gewesen dabei die Augen zu öffnen, so unerträglich war das Kribbeln in meinem Körper.
In den ersten Sekunden befürchte ich, sie hätten mich direkt in diese Schiffsschaukel portiert, aber dann höre ich eine Stimme: »Alison. Versuch die Augen zu öffnen.«
Ich muss sie nicht öffnen, um zu wissen, dass es Kays Stimme ist. Obwohl sie ohne die Verstärkung eines Mikros viel wärmer klingt, liegt in ihr die gleiche Bestimmtheit wie auf der Bühne. »Alison! Sie werden uns nicht viel Zeit gegeben haben. Öffne die Augen, setz dich auf und leg deinen Kopf auf die Knie. Das hilft. Bestimmt.«
Ich gehorche und starre auf verschwommene Grashalme, die sich über eine glitzernde Wasserfläche beugen.
»Mir ist übel.« Ich hoffe inständig, dass ich nicht vor Kay brechen muss. Er kniet direkt vor mir und auch wenn ich nur seine sandfarbene Khakihose
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