Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Plantage nicht abgebrannt, hätte Hamilton Hill weiter Apfelschnaps hergestellt und dieser wäre zur Familientradition geworden, nicht der Kuchen?«
Ich nicke aufgeregt.
»Deine Tante wäre mit Sicherheit nicht auf die Idee gekommen, auf den Apfelbaum hinter eurem Haus zu steigen, um von dessen Früchten ihrer sechsjährigen Enkelin einen Schnaps zu brennen, sie wäre nie gestürzt, hätte sich nie die Hüfte gebrochen …« »Es klingt zwar weit hergeholt«, gebe ich schulterzuckend zu, »aber der einzige rote Faden, den ich sehe … Wahrscheinlich ist es so, wie du gesagt hast: Wir müssen den Brand verhindern. Das heißt …«
»Ja?«
»Würde das nicht noch mehr durcheinanderbringen? Wenn wir den Brand verhindern und damit etliche Leben retten?«
Kay seufzt tief.
»Wir können nur das Beste hoffen und das Naheliegendste versuchen.«
»Ich weiß nicht …«
Kay zerstreut meine Bedenken nicht, sondern sieht die Straße hinauf. Wir stehen immer noch vor der Einfahrt neben dem Auto, höchstens am Fuß des Berges, der fast achthundert Meter hoch ist, und ich habe keine Idee, wo genau wir nach der Plantage suchen sollen und wie vor den Flammen schützen, aber plötzlich ist mir klar: Die großzügig bemessenen vier Tage haben keinerlei Relevanz. Es hätten auch zwei Jahre sein können oder zehn. Uns bleiben aber nur noch ein paar Stunden, um meine Realität zu ändern.
»Sobald die Flammen die Plantage erreicht haben, ist Jeremys Schicksal besiegelt.«
Im gleichen Moment ertönt das vertraute Piepen. Kay und ich blicken gleichzeitig auf unsere Marker. Er zeigt in zackiger Grafik zwei Hände, die Beifall klatschen.
Wir haben den Zusammenhang gefunden!
»Und wie viel Zeit bleibt uns wirklich?«, rufe ich aus.
Es dauert einige Sekunden, in denen die Hände tonlos weiter klatschen, dann leuchtet die übliche Anzeige auf …
»Verbleibende Zeit: Null Tage, eine Stunde, zwei Minuten.«
Im Geiste höre ich Wums höhnisches Lachen.
»Mist! Das schaffen wir nie! Wir brauchen mindestens eine Stunde, um überhaupt in die Berge zu kommen …«
»Nur zu Fuß.« Kay wirft einen schnellen Blick die Straße hinunter, fixiert mit verengten Augen das Haus, dann öffnet er den Verschlag des Wagens, der nicht abgesperrt ist, noch nicht einmal ein Schloss besitzt.
»Aber wenn uns jemand sieht!«, protestiere ich.
»Wir haben keine Zeit, darüber nachzudenken. Pass einfach auf, dass es nicht dazu kommt!«
Kay schwingt sich auf die steile Fahrersitzbank. Nervös sehe ich von ihm zu dem still liegenden Haus, die Straße rauf und runter, wieder zurück zu Kay. Der Schlüssel steckt, als hätte er auf uns gewartet, Kay dreht ihn, nichts passiert. Mein Blick fliegt erneut den gewundenen Weg hoch und runter, dann zurück zu Kay. Er macht sich gerade an einem kleinen Hebel zu schaffen, zieht einen Knopf heraus, schiebt ihn wieder herein. Verdammt! Warum springt das Auto nicht an?
Plötzlich schiebt sich unendlich langsam ein großer Schatten um die Kurve. Ein weiterer Wagen? Nein, entscheide ich, nicht ohne Motorengeräusch. Mit klopfendem Herzen beobachte ich, wie der Schatten anwächst, sehe kurz zu Kay, er tritt auf einen breiten Schalter im Fußraum. Endlich! Der Motor springt an, wenn auch mehr schlecht als recht, hustet sprotzend grauen Qualm aus dem Auspuff.
Schnell springe ich auf die Beifahrerseite, Kay dreht an irgendeinem Hebel, den ich noch nie bei einem Auto gesehen habe, aber es bewirkt, dass der Motor jetzt runder läuft, er löst die Handbremse und endlich tuckert unser monströses Gefährt los.
Als wir den Berg hinauffahren, sehe ich in den Innenspiegel und da steht er, der zur Gestalt gewordene Schatten: groß und schwarz-weiß, mit Gras im Maul, starrt er uns mit blödem Ausdruck hinterher.
Ich werfe lachend den Kopf nach hinten. »Wir haben's geschafft! Wir sind einer Kuh entkommen!«
Kay grinst, wirft einen etwas zu langen Blick auf meine nackten Beine und in der nächsten Rechtskurve lasse ich mich über die Sitzbank zu ihm gleiten. Zum Glück gibt es keine Anschnallgurte.
Unser geklautes Gefährt schiebt sich knurrend, stotternd und schaukelnd die sich windende Straße hoch. Kay schaltet einen Gang runter, öffnet das Fahrerfenster und legt den Arm um meine Schultern, so als wäre es selbstverständlich, als würden keine Geheimnisse zwischen uns stehen, als hätten wir alle Zeit der Welt.
Schon nach wenigen Minuten wird die Straße schlechter. Das bucklige Pflaster ist einer ausgefahrenen
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