Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Piste gewichen, übersät von Schlaglöchern, denen Kay geschickt ausweicht, mit einer Hand am Steuer, mit der anderen hält er mich fest, und trotzdem werden wir kräftig durchgeschüttelt. Der Weg ist inzwischen so schmal geworden, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug nicht an uns vorbeikäme. Aber weit und breit ist keins zu sehen.
Mit jeder Kurve werden die Abhänge steiler. Nur dornige Büsche trennen uns von dem abfallenden Dschungel aus dicht stehenden, knorrigen Stämmen und dunklen Tannen, aus wucherndem Farn, moosbedeckten Steinen und leise plätschernden Bächen. All dies soll bald in Flammen stehen? Ich kann es nicht glauben und halte die Nase in den Fahrtwind, der wie ein heißer Föhn durch das Fenster bläst.
Die Luft riecht nach warmer Erde und Tannenzapfen. Nichts deutet auf einen Brand hin und ich fühle mich so sicher in Kays Arm, dass ich mich trotz der drohenden Gefahr meiner Erschöpfung hingebe und die Lider schließe. Langsam lasse ich meinen Kopf auf seine Schulter sinken. Er riecht so gut! Wie der süßlich herbe Geruch eines Kiefernzapfens, wie trockene Baumrinde, wie … verkohlte Baumrinde!
Ich nehme es zuerst wahr, wahrscheinlich, weil ich die Augen geschlossen hatte, jetzt aber sind sie aufgerissen, meine Nasenflügel blähen sich und mein Herz schlägt wild gegen die Brust, verjagt jegliche Müdigkeit. Der Marker meldet sich. Irgendein blöder Wert ist in die Höhe geschossen. Ich sehe meinen Scout von der Seite an, sein ebenmäßiges, konzentriertes Gesicht, und könnte laut fluchen, weil ich weiß, gleich wird er seinen Arm von meiner Schulter nehmen.
»Kay …«
»Alison …«, antwortet er lächelnd.
»Es hat angefangen!«
03. Juli 1929
Mount Tamaplais bei Mill Valley
Der mächtige Wagen tuckert unerträglich langsam den Berg hinauf und obwohl Kay das Gaspedal durchdrückt, schätze ich unsere Geschwindigkeit auf nicht mehr als dreißig Stundenkilometer. Einen Tacho gibt es nicht.
Jetzt weichen wir keinen Schlaglöchern mehr aus, Kay nimmt die spitzen Kurven, ohne vom Gas zu gehen, immer in Richtung der Rauchsäule, den Brandgeruch in der Nase.
»Wie lange werden wir noch brauchen?«, frage ich Kay.
»Fünf, vielleicht sechs Minuten, bis wir in der Nähe sind.«
»Meinst du, das Feuer hat sich schon ausgebreitet?«, frage ich sorgenvoll.
Kay hat inzwischen das Fenster geschlossen, denn der beißende Geruch treibt uns die Tränen in die Augen, und jedes Mal, wenn sich der Abhang links von mir auftut, heften sich unzählige schwarze Flocken an die Scheibe. Ich habe keine Ahnung, wie wir atmen sollen, wenn das Feuer direkt vor uns lodert. Ich wende meinen Blick von der verrußten Scheibe ab und sehe Kay abwartend an.
Er beantwortet meine Frage nicht. Im höchsten Maße angespannt, die verengten Augen stur auf die Fahrbahn gerichtet, nimmt er Kurve für Kurve, bis wir abrupt in einen unscheinbaren Stichweg einbiegen und bremsen.
»Steig aus!«, fordert er sofort.
»Aber … ich sehe das Feuer nicht. Hier ist nichts!«
»Komm schon, Alison. Los!«
Kays Tonfall lässt keinen Widerspruch zu und ich öffne die Tür. Ein unerträglich heißer Föhn schlägt mir entgegen, gefüllt mit Rußpartikeln und so wenig Sauerstoff, dass ich scharf die Luft einziehe, um das überlebenswichtige Element in meine Lungen zu pumpen. Sofort erstickt ein Hustenanfall den Versuch, weiterzuatmen.
Kay bietet mir wortlos das Tuch aus dem Kostümfundus an. Ich presse es mir vor den Mund, lasse mich an die Hand nehmen, stolpere mit tränenden Augen hinter ihm her, obwohl mein Instinkt die Oberhand gewinnen und in Richtung Tal fliehen möchte. Mit jedem verräucherten Luftzug wird mein Gehirn träger, das Laufen schwerer, meine Willenskraft schwächer. Jetzt kann ich nachvollziehen, warum Menschen, die sich tatsächlich inmitten eines Feuers befinden, nicht einmal mehr zur Tür finden und nur wenige Schritte vor dem Ausgang orientierungslos zusammenbrechen.
Doch einen Augenblick später schlägt der Wind um und als das Atmen leichter wird, kann ich meine Augen weiter öffnen, obwohl sie noch tränen …
Blinzelnd folge ich Kays Blick nach unten. Wir stehen über einem Wasserfall, der einem Haufen bemooster Steine entspringt. Kay zieht seinen Pullunder aus und schleudert ihn in das Gebüsch. Einen verständnislosen Moment lang denke ich, er will baden, aber dann wird mir klar, was er vorhat: Wahrscheinlich ist die tief liegende Quelle die letzte Möglichkeit unsere Kleidung in Wasser zu
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