Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
hoffe ich, dass sie menschlich sind.
Irgendwie komme ich auf die Beine, schleppe mich zur Tür, drücke die Klinke, flackerndes Licht ist das Erste, was ich wahrnehme. Es kommt von einer Batterie Neonröhren. Sie beleuchten einen langen Flur, wieder mit Betonwänden, Betonboden, ohne Türen oder Bilder oder sonst irgendeinen Schnickschnack.
Wenn ich meinen Oberkörper etwas abwinkle, kann ich fast schmerzfrei gehen, wenn auch nur langsam. Jetzt jedoch ist keine Zeit, über die gebrochene Rippe nachzudenken.
Die Neonröhren im letzten Drittel des Flurs sind ausgefallen und ich kann nicht sehen, wohin er führt, nur dass aus dem Dunkel etwas schnell in meine Richtung läuft.
Es ist der Hund. Groß und zottelig, mit heraushängender Zunge und freudig pendelnder Rute trabt er auf mich zu, setzt sich auf den Hintern, sobald er mich erreicht hat.
Vorsichtig strecke ich die Hand aus, die das Tier stürmisch beleckt, offensichtlich kennt er mich auch in dieser Realität, die daher nicht meine sein kann. Mein letztes Fünkchen Hoffnung, mich lediglich in einem unbekannten Gebäude zu befinden, das mich in mein Mill Valley führt, das ich kenne und liebe, stirbt mit dieser feuchten Hundenase. Es hat also nicht geklappt. Die Destille ist in den Flammen aufgegangen, wie wohl auch meine Urgroßtante Alison, die Lebensgrundlage für meine Vorfahren wurde zerstört und das Schicksal nahm seinen Lauf. Keine Destille, kein Apfelschnaps, kein Einkommen, stattdessen ein Neuanfang, eine neue Plantage, die viele Jahre später Onkel Herold führen wird, auf der Apfelmost und –kuchen hergestellt werden wird, mit Walnüssen, nach Familientradition. Irgendwann kommt der 30. September 2002, Tante Rose, die Apfelkuchen gleichermaßen wie Traditionen liebt, sich in den Kopf setzt, dieser zu folgen, in den Baum steigt, sich die Hüfte bricht und damit Jeremys Schicksal besiegelt. Ich habe keine Hoffnung, dass es anders sein könnte, die Frage ist nur, wie schlimm es ist.
Der Marker zeigt gute sechs Minuten. Zeit weiterzugehen.
Ich tätschle dem Hund den Kopf. »Na, Buffy. Kennst du meinen Geruch?«
Als Antwort bekomme ich eine Pfote auf die Hand gelegt.
»Wo sind die anderen. Wo ist Herrchen?«
Bei meinem letzten Wort kläfft der Hund laut, dreht sich um und läuft den Gang runter.
»Warte!«, rufe ich ihm hinterher, das Tier bleibt stehen, sieht sich nach mir um, anscheinend ist es brauchbarer, als ich dachte. Ich folge Buffy in einen weiteren Flur, diesmal breiter und besser beleuchtet, ein Feuerlöscher hängt an der Wand, gegenüber ein großes Stück Pappe, an der zig Fotos hängen, darüber das Wort: Vermisst!
Ich nehme mir keine Zeit, Jeremy darunter zu suchen, mir bleiben nur noch fünf Minuten und endlich erreichen wir eine Halle, die, nur durch einen halbseidenen Vorhang getrennt, schemenhaft sichtbar ist. Buffys Nase stößt ihn zur Seite und gibt den Blick auf das Grauen frei: Überall stehen Betten, sicherlich fünfzig Stück, nur schmale Gänge bleiben. Wimmernde Laute, gedämpftes Murmeln, ein Baby schreit, der Geruch von Urin und Ausdünstungen ist allgegenwärtig, gleich rechts neben mir liegt ein Mädchen auf einer Matratze, nackt bis auf eine Unterhose, und sieht mit leeren Augen zu mir hoch. Sie ist vielleicht zehn Jahre alt, bleich, mit verklebtem, aschblondem Haar, der Körper gezeichnet durch offene Wunden, schwarze Blasen auf der unversehrten Haut, ihre Brust hebt und senkt sich schnell wie bei einem Hund, der hechelt. Sie ist allein. Aus einem Impuls greife ich nach einer zerknautschten Plastikflasche, die mit trüber Flüssigkeit gefüllt ist, wahrscheinlich Wasser, und versuche, es ihr in den Mund fließen zu lassen. Sie reagiert nicht und die Brühe läuft ihren Mundwinkel herunter in die Matratze.
Buffy dreht sich unruhig im Kreis, kläfft laut, als wolle er mir sagen: »Geh weiter, folge mir.«
»Es tut mir leid«, sage ich leise zu dem Mädchen, stelle die Flasche zurück und zirkle hinter Buffy her durch die Katakomben aus Betten, Matratzen, Ausscheidungen, Kochgeschirr und infizierten Menschen. Überall infizierte Menschen, die immer gleichen Symptome. Manche sitzen noch aufrecht, bei anderen bin ich mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch leben, aber niemand mehr scheint noch gehen zu können. Eine Frau, deren Alter ich nicht mehr bestimmen kann, so gezeichnet ist sie, streckt die knochige Hand nach mir aus und murmelt irgendetwas von einem Engel. Ich lächle ihr kurz zu.
Als Buffy in der
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