Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Videobotschaft zukommen lassen, in der er mitteilt, dass sich die NSA seit Jahren in die Computer von Hongkongs Multi-Konzernen gehackt hat«, erklärt der Nachrichtensprecher gleichtönig, holt kurz Luft, um die nächste Schlagzeile abzulesen. »Im immer noch andauernden Syrienkonflikt stieg die Zahl der Toten auf über 93.000 Opfer. Allein im Juni …«
Kurz lasse ich meine Gedanken schweifen, sehe meinen sterbenden Vater in diesem stickigen Bunker voller Unrat und dahinsiechender Menschen. Wie konnte es dazu kommen? Die nächste Schlagzeile lässt mich wieder aufhorchen.
»In Kalifornien breitet sich eine aggressive Grippewelle aus. Die Krankheit wird als höchst ansteckend aber harmlos verlaufend eingeschätzt. In San Francisco jedoch musste heute die Bank of America schließen, da lediglich ein Mitarbeiter zur Verfügung stand. In Colorado wurden an diesem Tag 900 Häftlinge umgesiedelt, da …«
Das Bild löst sich auf, die holografische Abbildung des Fernsehers jedoch bleibt bestehen und einen Wimpernschlag später erscheint wieder Jerry Coopman, diesmal mit rostbrauner Krawatte und die drittplatzierte Schlagzeile vom 13. Juni ist zur Topmeldung geworden.
»Seit die ersten Fälle der Grippe-Erkrankung Influenza Filoviridae, kurz Infiloa, vor gut zwei Wochen bekannt wurden, stieg die Zahl der Todesfälle auf achtzehn. Vor allem Säuglinge und ältere Menschen waren unter den Opfern. Das Gesundheitsministerium warnt davor, Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen als auch Erbrechen zu ignorieren, und fordert die Bürger auch außerhalb Kaliforniens auf, sich bei ersten Anzeichen umgehend in ärztliche Versorgung zu begeben. Man zeigte sich zuversichtlich, in Kürze einen Impfstoff bereitstellen zu können. Bisher ungeklärt ist, woher dieser Virus kommt.«
Ich merke, wie ich mich verkrampfe. Was habe ich getan, dass eine solche Tragödie ausgelöst wurde? Aus Selbstschutz versuche ich, jene Realität von mir zu schieben, schließe die Augen, denke an unser Häuschen im Wald, an Dad, der in seinem Schuppen klopft und hämmert. Es gelingt nicht. Zu greifbar war der Bunker, der Gestank, das Stöhnen.
Als ich wieder aufblicke, trägt Jerry Coopman eine hellgraue Krawatte. Unter seinen Augen liegen Schatten.
»Nur einen Monat nach Ausbruch des Infiloa-Virus, musste der Staat Kalifornien über siebzehntausend Todesfälle beklagen. Bisher wurde kein wirksamer Schutz, kein Gegenmittel gefunden. In den betroffenen Gebieten hat die Regierung den Notstand ausgerufen, sie fordert die Bürger auf, in ihren Häusern zu bleiben und Außenkontakte zu vermeiden. Es wird dringend geraten, von Hamsterkäufen abzusehen, um die Ansteckungswahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten. Auch in Boston und Chicago wurden erste Fälle der Infiloa-Erkrankung gemeldet. Experten stufen den Virus mittlerweile als tödlich ein und haben ihn der Risikostufe vier zugeordnet. Den Verlauf der Krankheit, Anfangssymptome und alle wichtigen Informationen erhalten Sie auf unserer Website. Wir von Channel Six halten Sie rund um die Uhr auf dem neuesten Stand.«
Wieder erlischt das Bild, baut sich neu auf, Jerry Coopman trägt weiterhin eine hellgraue Krawatte, etwas gelockert, der oberste Hemdknopf ist offen, im Ganzen wirkt der Nachrichtensprecher beunruhigend erschöpft.
»Eben hat uns eine Sondermeldung erreicht. Neuesten Informationen zur Folge wurde der Virus offenbar absichtlich verbreitet. Das Pharmaunternehmen Biomed aus San Francisco gab vor wenigen Stunden zu, an Gegenmitteln der Seuchenerkrankung Ebola und verschiedenen Mutationen des Virus gearbeitet zu haben, die allesamt der höchsten Schutzstufe unterliegen sollten. Das meldepflichtige Projekt war jedoch von der Regierung nicht genehmigt worden. Der Pressesprecher des Milliardenunternehmens Biomed gestand, dass eine der Viruskulturen vor etwa sechs Wochen spurlos verschwunden sei, und räumte ein, der ehemalige Mitarbeiter Kalvin Broncowiz könnte im Zusammenhang mit dem Verlust stehen. Der 63-jährige Kalvin Broncowiz war knapp sechs Jahre als Biochemiker in dem Unternehmen beschäftigt, bis bekannt wurde, dass der Altachtundsechziger einer Gruppe von Weltuntergangsfanatikern angehört.«
Hinter dem Nachrichtensprecher erscheint ein Bild von einem Mann im nichtssagenden, schwarzen Anzug auf dem Schirm, untertitelt mit Vincent Brenston, Pressesprecher Biomed .
Der Pressesprecher räuspert sich nervös. »Inzwischen müssen wir uns eingestehen, dass das Verschwinden
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