Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
hintersten Ecke der Halle stehen bleibt, bleiben mir noch drei Minuten und 44 Sekunden. Das ich in dieser Realität nicht bleiben werde, ist mir klar, aber ich möchte meine Eltern finden. Es ist wahrscheinlich, dass ich nicht allein in diesen Bunker gegangen bin. Sie müssen irgendwo zu finden sein.
»Wo ist Herrchen, Buffy?«
Wieder ein Kläffen als Antwort.
Vor mir liegt aber nur ein alter Mann, seine Augen sind geschlossen, wahrscheinlich ist er über achtzig Jahre, mit dünnem Haar, eingefallenen Wangen, das Gesicht überzogen von schwarzen Blasen, atmet er in unregelmäßigen Zügen.
Wieder meldet sich Buffy mit lautem Bellen.
Der Mann öffnet die Augen. Sie sind matschfarben wie meine.
Ich presse die Hände vor meinen Mund. Ein erstickter Schrei dringt aus meiner Kehle.
»Dad?«
»Alison … du siehst gut aus«, murmelt er.
»Was ist passiert? Wo ist Mum? Habe ich einen Bruder?«
Er muss mich für verrückt halten, aber es bleibt keine Zeit für Erklärungen.
Die rissigen Lippen meines Vaters verziehen sich. »Mein sehnlichster Wunsch war es, dich verschont zu sehen«, presst er heraus.
»Bitte, Dad! Ich muss es wissen! Habe ich einen Bruder? Wo ist Mum?«
»Das sind die ersten Symptome, Hoppi. Verwirrung, Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, bald kommen die schwarzen Blasen. Jetzt werden sie dich nicht mehr rauslassen. Jetzt nicht mehr … Wir werden alle eingehen, eingepfercht wie auf einem Schweinetransport.«
Ich sinke zusammen, kauere neben meinem Vater auf der Erde, habe Angst, ihn zu berühren, mich anzustecken, deshalb vergrabe ich das Gesicht in meinem Schoß.
Tatsächlich ist mir bereits übel. Sind das erste Symptome? Was für eine Seuche auch immer ausgebrochen ist, sie ist grausam und todbringend und ich darf mich nicht in den wenigen Minuten dieser Realität infizieren.
»Vorhin haben sie Neue reingebracht. Eine Familie mit sechs Kindern, alle infiziert«, murmelt Dad. »Es heißt, sie hätten jetzt ganz Kalifornien zum verseuchten Gebiet erklärt. Man bemüht sich nicht mehr um Heilung, bei dem kleinsten Anzeichen stopfen sie die Kranken in die Bunker, verriegeln die Türen, tragen nur die Toten heraus.«
»Wo ist Mum?«
»Auch sie haben sie herausgetragen … Ach Alison, du weißt doch, dass sie deine Mutter herausgetragen haben.«
»Wann?«
»Vor drei oder vier Wochen vielleicht. Hier drinnen verschwimmt die Zeit, nicht wahr?«
»Und meinen Bruder?«, frage ich, schiele aus meiner Armbeuge zu Dad herüber.
Er schüttelt den Kopf.
»Du hast keinen Bruder, Hoppi. Die Seuche … es ist das Ammoniak, das dein Gehirn benebelt, sobald deine Leber sich zersetzt, wird es ausgeschüttet … Es bricht mir das Herz, dich so zu sehen«, sagt er erstickt. Seine Hand sucht meine, ich will sie ihm reichen, ihm Trost spenden, aber mein Überlebensinstinkt ist stärker, die Angst vor Ansteckung zu groß.
Der Marker piept. Verstohlen sehe ich in meine Handinnenfläche, die letzten sechzig Sekunden laufen rückwärts.
»Ich nehme meine Realität nicht an«, flüstere ich kraftlos, höre ein krächzendes Lachen meines Vaters.
»Ich auch nicht!«, bringt er heraus, dann setzt der Schwindel ein, begleitet von Würgen, bis alles in Schwärze versinkt.
8. KAPITEL
2417
Seuchenschutzraum
»Seuche!«
Mehr bekomme ich nicht über die Lippen, bei dem Anblick des Mannes im weißen Schutzanzug. Ich meine, den Techniker Hans in ihm zu erkennen. Nur ein Teil seines Gesichts ist durch eine transparente Scheibe im Kopfteil des Anzugs zu sehen. Er hantiert mit einem Ding herum, das einem Handscanner an Supermarktkassen ähnelt, und würdigt mich keines Blickes. Ich selbst stehe in dem gläsernen Zylinder, der mich durch die Zeit portiert, und da er geschlossen ist, ich nicht erwarte, dass Hans diesmal befugt ist, mir irgendetwas zu erklären, drehe ich mich im Kreis.
Diesmal scheine ich wirklich in einem Krankenhaus zu sein oder zumindest in einem Raum, der medizinischen Zwecken dient, denn außer einem schnörkellosen Metallbett sehe ich nur Schläuche, Anzeigetafeln, einen weißen Tisch mit Operationsbesteck und jede Menge aus der Wand klappbare Schränke. Sie zeichnen sich wie immer durch feine, abgerundete Linien ab, in jeder Umrandung ein Kästchen, als Markierung für den Marker, mit dessen Autorisation sie zu öffnen sind.
Hans legt den Scanner auf den Tisch und lässt eine Schublade aus der Wand fahren. In sie, wie auch in alle anderen Fächer, ist ein hellgrüner Schriftzug geprägt, in
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