Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
der Viruskultur im direkten Zusammenhang mit der fristlosen Entlassung von Kalvin Broncowiz stehen könnte. Beides geschah am gleichen Tag. Nachdem bekannt wurde, dass unser ehemaliger Mitarbeiter im engen Kontakt zu Weltuntergangsanhängern stand, wurde Mr Broncowiz mit sofortiger Wirkung freigestellt. Seine privaten Interessen ließen sich nicht mit den Forschungen des Biomed-Unternehmens vereinbaren. Selbstverständlich wurde versucht, den ehemaligen Mitarbeiter ausfindig zu machen, um einen Zusammenhang zwischen den Vorfällen auszuschließen. Bisher ist dies jedoch nicht gelungen.«
Der Pressesprecher verschmilzt mit einem Portrait eines Mannes mit kupferfarbenem Haar und weißem Kittel: Kalvin Broncowiz, wie zu lesen ist.
Der Nachrichtensprecher, Jerry Coopman, verkündet die Schließung des Biomed-Unternehmens, dann verschwindet auch er. Als wieder das Logo von Channel Six mit der Erde kreist, fährt der Zoom auf eine blasse Frau, viel zu jung für eine Nachrichtensprecherin, die ein schwarzes Kostüm trägt. Ich merke mir ihren Namen nicht, vernehme nur, wie sie den Tod von Jerry Coopman bedauert, der an dem Infiloa-Virus gestorben sei, wie sie berichtet. Bilder von Highways rund um Los Angeles, San Francisco und anderen Städten folgen, militärisches Aufgebot, Stacheldrahtzäune, kreisende Hubschrauber, bewaffnete Soldaten … Kalifornien wird zum Katastrophengebiet erklärt, das Verlassen des Staates wird verboten. Zusammengeschnittene Beiträge reihen sich aneinander. Es sind nur noch Momentaufnahmen: überfüllte Krankenhäuser, Infizierte, die auf dem Fußboden schlafen oder in Waschräumen, Massengräber am Rande einer Müllkippe, mit schwarzen Blasen übersäte ausgemergelte Leiber, geschlossene Geschäfte, geplünderte Apotheken, scheinbar nicht endende Staus auf den Autobahnen, tausende von Flüchtlingen, oft mit Kindern an der Hand, drängen sich an den schnell geschaffenen Grenzen …
Ich sehe zur Seite, kann das Grauen nicht mehr ertragen, und frage mich immer wieder, was ich getan habe, um solch ein Szenario zu erschaffen.
Erst als die Erkennungsmelodie von Top The Realities erklingt, sehe ich wieder auf den Holografen. Vor mir tänzelt Wum Randy in Miniaturgröße über das flache Gerät und kommentiert die eben gezeigten Bilder mit nichtssagenden Floskeln. Kay sehe ich im Hintergrund in einem Sessel. Er reibt sich das Gesicht vor Erschöpfung oder vor Entsetzen. Anscheinend wurde der Zusammenschnitt der Nachrichten zeitgleich auf der Bühne projiziert, denn Wum umkreist gerade das eingefrorene Hologramm von Kalvin Broncowiz im Kittel und deutet auf sein Namensschild.
»Kalvin Broncowiz, 1955 in San Francisco geboren«, erklärt Wum, »Studium der Biochemie auf der University of Massachusetts Dartmouth, Hoffnungsträger seines verwitweten Vaters Benjamin Broncowiz, ganzer Stolz seiner Großmutter, Helen Broncowiz, geborene Hudges …« Wum macht eine Kunstpause. »Ich bin mir sicher, dass unsere aufmerksamen Zuschauer bei dem Namen Helen Hudges bereits eine Idee haben, was unsere Kandidatin getan hat, um die eben gezeigte Realität auszulösen, und ich werde Sie nicht länger auf die Folter spannen!«
Ein Hologramm im Hologramm erscheint. Sehr klein, diesmal von Helen Hudges, die ich nur an ihrem kupferfarbenen Bob erkenne, und meinem neu eingekleideten Ich. Es zeigt uns in der Taverne Mill Valleys. Sie legt ihr Geschirrtuch zur Seite und kommt lächelnd auf mich zu.
Das kleine Abbild gefriert. Wum Randy tritt davor. »Siebzehn Minuten und elf Sekunden war Alison in der Taverne von Kalvin Broncowizs Urgroßvater und dessen Tochter Helen. Genau drei Minuten und eine Sekunde zu lang. Denn diese Zeit fehlte Helen, um bei ihren anschließenden Besorgungen mit ihrem zukünftigen Ehemann zusammenzustoßen, einem Wochenendgast aus Reno. Dieser verpasst seinen Zug daher nicht und lernt drei Jahre später eine andere Frau kennen, deren Leben uns nicht weiter interessiert. Helen jedoch begegnet am 04. Juli 1929 einem der Feuerwehrmänner, die mit dem Schiff von San Francisco übergesetzt sind, um mit vielen anderen gegen den Brand zu kämpfen. Dieser Feuerwehrmann ist Micha Broncowiz, polnischer Einwanderer, kräftig, mutig und wie ein strahlender Ritter muss er Helen in seiner Uniform erscheinen. Micha findet wenige Stunden Schlaf in einer der Gasträume über der Taverne und als Helen ihm in den frühen Morgenstunden das Frühstück bereitet, ist ihr Entschluss gefasst: Diesen Mann wird sie
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