Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
wehtut.
»Alison, bitte!«
Trotzig schüttle ich den Kopf.
Kay verdreht die Augen, tritt hinter mich und legt seine Hand auf die Fraktur. »Okay … du hast es nicht anders gewollt. Also, einatmen, ausatmen, Luft draußen lassen. Jetzt.«
Ich gehorche.
Dann knirscht es fürchterlich, gleichzeitig ein stechender Schmerz, der kurz darauf einem Gefühl der Befreiung weicht. Es ist, als hätte jemand einen Schraubstock entfernt.
Ich atme tief durch und lächle dankbar. Ein Hochgefühl jedoch bleibt aus. Vor mir liegt eine plane Fläche, abweisend, karg, in schmutzigem Gelb, das düsterer wird, je mehr es sich dem wolkenverhangenen Himmel nähert. Nur dort, wo die sinkende Sonne die bevorstehende Nacht ankündigt, färbt sich ein stetig steigender Gebirgszug im kitschigen Rosarot. Ab und zu zuckt ein stummer Blitz, dem kein Donner folgt, zwischen den getürmten Wolken, erhellt den Kamm des Berges, und es wirkt, als läge Schnee auf ihm. Die einzige Wasserquelle, die ich ausmachen kann, und sie ist meilenweit entfernt und davor nur Wüste, Trockenheit und Dornenbüsche. Bei dem Anblick will ich bloß noch zusammensinken, keinen Schritt mehr gehen. Mir fehlt die Kraft. Ich bin müde. Ich bin erschöpft. Ich bin durstig. Vor allen Dingen bin ich durstig, und Wasser, das ist mir klar, wird hier zu einem echten Problem werden. Instinktiv fahre ich mit meiner Zunge über die Lippen, die jedoch genauso trocken sind wie der Rest meines Mundes. Außerdem pochen meine Schläfen. Ein klopfender Schmerz, der sich bis über die Augenhöhlen zieht.
»Bist du okay?« Kay sieht mich kritisch an.
»Geht schon.«
»Gut, die Rippe ist jedoch nach wie vor gebrochen, sitzt aber jetzt an der richtigen Stelle. Deine Muskulatur sollte sie dort halten, bis sie wieder zusammenwächst. Trotzdem keine gute Voraussetzung für das, was uns bevorsteht.«
»Was steht uns denn bevor?«
»Es wird bald so dunkel sein, dass wir uns nur noch an den Sternen orientieren können, sofern wir sie sehen. Lass uns besser das letzte Licht ausnutzen und einen Schlafplatz suchen. Heute Nacht müssen wir wohl ohne Feuer, Essen und Wasser auskommen. Morgen gehen wir dann immer in Richtung Nordwesten. Falls wir nämlich nicht in einer Wüste Australiens sind, sondern tatsächlich in der Sierra Nevada, ist es wahrscheinlich, dass die Natur uns in dieser Richtung bald mehr zu bieten haben wird.« Kay zeigt mit ausgestrecktem Arm auf den Gebirgskamm. »Wir halten uns dann immer in Richtung dieser zackigen Ausbuchtung oben links auf dem Berg, siehst du?«
Ich folge Kays Fingerzeig und nicke tapfer. In Gedanken jedoch erkläre ich ihn für verrückt. Wir werden diesen Berggipfel niemals erreichen in … »Wie viel Zeit haben sie uns gegeben?«
Die Frage beantwortet sich mit Blick auf meine Handinnenfläche. »Fast vier Wochen? Nicht dass wir uns darauf verlassen könnten, aber … vier Wochen?«
»Ich fürchte, wir können uns darauf verlassen.« Ohne weitere Erklärung setzt Kay sich in Bewegung, lässt mich einfach stehen.
Ich schnappe nach Luft. Was soll das?
Grummelnd schließe ich zu ihm auf und eine Zeit lang schleppen wir uns schweigend Meter für Meter über den kargen Boden.
»Wieso glaubst du, lassen sie uns diesmal die gesamte Zeit?«, frage ich nach einigen Minuten, in denen die Sonne noch tiefer gesunken ist. »Bisher konnten wir uns doch nicht darauf verlassen. Ich meine, was ist mit der Jury und den Strafpunkten?«
»Die Jury!« Kay lacht trocken. »Die greifen dann ein, wenn es dem Publikum zu langweilig wird, die Quoten sinken, nur in den Momenten nehmen sie uns Stunden oder auch Tage. Ich bin so oft durch die Zeit gesprungen, habe ihre Spielchen so oft mitspielen müssen, dass ich mir absolut sicher bin, dass sie die vier Wochen gnadenlos durchziehen werden!«
»Aber das ist doch zu unserem Vorteil! Vier Wochen! Wir könnten es schaffen diesen Lebensraum …«
»Lebensraum«, schnauft Kay verächtlich und kickt einen Stein durch die Luft. »Das ist eine Todesfalle! Kein Wasser, wenig Essbares, die Temperaturen werden immer tiefer sinken und jeder Zuschauer dieser perfiden Show wartet darauf, dass wir anfangen, mit dem Tod zu kämpfen.«
»Du meinst, sie wollen uns sterben sehen?«
»Sie wollen eine Show! Dazu gehört eben Leid und Kampf! Und was könnte spannender sein, als Menschen, die ums Überleben kämpfen?«
»Aber du sagtest, es wäre deine Aufgabe, mich zu schützen. Dafür zu sorgen, dass ich nicht sterbe, dann würden sie
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