Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
dir den Marker entfernen, richtig? Damit du vergisst, dass es je eine andere Realität gab. Was ziemlich unlogisch ist …«
»Ist es nicht. Es bedeutet nur, sie sind bereit, dich nicht so schnell sterben zu lassen, nicht nach einem Tag, aber glaube nicht, sie seien grundsätzlich daran interessiert, dass du überlebst.«
»Geht es nur darum bei diesem Zeitsprung? Ums Überleben?«
Kay hebt seinen Arm, als wolle er etwas Wichtiges unterstreichen, lässt ihn aber wieder fallen. »In erster Linie geht es ums Überleben, ja.«
»Und … was … ich meine …«
»Ja?«
»Welche Realität willst du vergessen?«
Kay fährt herum. »Nochmals, Alison, und zwar das letzte Mal! Ich werde nicht über meine Vergangenheit reden. Halt dich an meine Regeln, lerne und ansonsten schweig!«
Plötzlich sieht mein Scout wütend aus, regelrecht bedrohlich! Fürs Erste schweige ich tatsächlich, mehr aus Schreck, vier Wochen jedoch werde ich nicht ohne Worte hinter Kay herlaufen. Nicht nur ich bin von ihm abhängig; will er seinen Marker loswerden, ist er es auch von mir.
Die Sonne geht erschreckend schnell unter. Kurz ertränkt sie den Himmel noch in blutigem Rot, dann überlässt sie dem nächtlichen Wächter das Feld: dem Mond, der fahles Licht auf die schattenlose Landschaft wirft.
Kay macht nicht den Anschein, als wolle er stehen bleiben. Mit wütenden Schritten stapft er weiter, ohne sich nach mir umzusehen, obwohl er um meine gebrochene Rippe weiß. Bald ist es so düster, dass ich seine große Statur nur noch sehe, wenn das Wetterleuchten den Himmel erhellt. Meine Beine tragen mich irgendwie, Meter für Meter, trotz aller Erschöpfung.
Irgendwann weicht meine Wut auf Kay unendlicher Schwere und Müdigkeit. Selbst mein Durst ist nicht so mächtig wie das Bedürfnis zu schlafen. Und kein Stolz hält mich mehr davon ab, dieses Bedürfnis durchzusetzen.
Also breche ich das Schweigen: »Ich muss mich ausruhen.«
»In Ordnung. Hier ist es genauso gut wie irgendwo anders in dieser Einöde. Leg dich hin. Schlaf.«
»Sehr nett«, zische ich, ein letztes Aufbegehren gegen Kays Kälte und Gleichgültigkeit, dann sacke ich zusammen. Der Boden ist hart, aber spürbar wärmer als die Luft, die sich wie ein kaltes Laken über mich legt. Ich rolle mich zusammen, den Kopf auf einem flachen Stein gebettet, spüre, wie mein Körper unkontrolliert zittert, und ergebe mich dem übermächtigen Bedürfnis nach Schlaf. Alles andere ist egal.
In der Nacht wache ich immer wieder auf, kaum bei Bewusstsein, sehe ich mit flackernden Augen in den Sternenhimmel, der sich jetzt zeigt, gleite wieder in den Schlaf.
Irgendwann weckt mich ein gleichmäßiges Klicken. Als ich im Morgengrauen die Augen aufschlage, sehe ich Kay wieder und wieder zwei Steine gegeneinanderschlagen. Anscheinend versucht er, Feuer zu machen. Es gelingt nicht. Wie gleichgültig mir all das ist. Schlaf … nur Schlaf ist wichtig.
Erst als helles Licht meine geschlossenen Lider orange färbt, blinzle ich kurz. Kay kniet neben mir und mustert mich mit gefurchter Stirn. Auch das ist mir egal. Mein Mund ist so trocken, als hätte man ihn mit Sand vollgestopft, in meinem Kopf hämmert eine ganze Armee fieser, kleiner Gnome gegen die Schläfen und Augenhöhlen und Stirn.
Kurz komme ich hoch, um zu würgen, spucke stinkende Galle aus, lasse mich wieder fallen. Mein Körper zittert wieder oder immer noch, aber auf jeden Fall nicht zu kontrollieren, auch das Hemd, das Kay auszieht und mir über den Leib legt, gibt keine Wärme. Das Licht ist so hell und doch so kalt. Ich schließe wieder die Augen, würge, ohne die Kraft zu haben, mich aufzurichten. Kay hält meinen Kopf, dreht mich zur Seite, winkelt meine Beine an und erklärt irgendetwas. Es geht in Rauschen unter, ein einziges Rauschen in meinen Ohren. Nur den Marker höre ich noch piepen. Soll er doch.
Als ich das nächste Mal erwache, brennt ein Feuer eine Armlänge entfernt von mir. Wie wunderbar! Am liebsten möchte ich hineinkriechen, mir fehlt jedoch sogar die Kraft, meinen Fuß zu heben. Kay legt die Hand auf meine Stirn, murmelt etwas von Fieber und wendet sich ab.
Ein letztes, kleines Fünkchen von Zuneigung und Hoffnung stirbt mit dieser Geste. Er lässt mich allein zurück. Ich bin Ballast. Ich werde sterben. Nach einem Tag schon, ach was, nach einer Nacht.
Während der kurzen Schlafperioden träume ich. Ich träume nur von Wasser. Manchmal fließt es aus einem Hahn, manchmal regnet es vom Himmel, jedes Mal
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