Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
würde etwas von dem Festmahl da essen, wenn du es mir befiehlst …«
Kay zieht den Stock zu sich und dreht das zur Unkenntlichkeit verkohlte Tier. »Isst du deins blutig oder medium?«, fragt er augenzwinkernd.
»Ich würde es lebend vertilgen!« Voller Ehrfurcht zupfe ich das verbrannte Fleisch von dem Ast, den Kay mir reicht.
Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander, kauen auf dem zähen Tier herum, das trotzdem wie der Himmel schmeckt. Irgendwann wirft Kay den Ast in die Glut, steht auf und läuft unruhig durch unser Camp, die Hände miteinander verschlungen, bis die Nacht langsam der heraufdrängenden Sonne weicht. Die Angst, dass mit dem Tageslicht das dünne Band zwischen uns zerfällt, wird mit jedem seiner gehetzten Schritte stärker. Mein Entschluss jedoch ist ungebrochen: Ich werde meinen Scout nicht mehr davonkommen lassen.
Aber genau aus diesem Grund muss ich warten, das spüre ich. Warten, bis sein Kampf ausgetragen ist, den er förmlich mit den Händen ringt. Ich lasse Kay nicht aus den Augen!
Mit dem Rücken an einen großen Stein gelehnt, die Knie dicht an meinen Körper gezogen, verfolge ich jeden seiner Schritte, versuche, in seinem Gesicht zu lesen, sobald er es dem Schein des Feuers zuwendet. Mal wirkt er nachdenklich, mal regelrecht wütend, niemals jedoch entschieden. Er wirkt wie ein nicht zu bändigendes Tier in einem Käfig, das nur darauf wartet, dass sich das Tor öffnet, um in die Freiheit zu entfliehen, und ich frage mich unwillkürlich, ob er den Gedanken nicht ertragen kann, mich zu verlieren oder seine Ungebundenheit.
Irgendwann ist das Feuer zu einer flachen Glut geschrumpft, die Leuchtkraft der Sterne verblasst und statt ihrer übernimmt es die Sonne, die karge Wirklichkeit um uns in Szene zu setzen.
Mein Scout starrt mit dem Rücken zu mir in die Ferne und ich habe das Gefühl, er hat den Kampf gegen sich verloren.
»Kay …«
Ohne mich anzusehen, schüttelt er den Kopf.
Ich ignoriere seine Abweisung, da ich mir sicher bin, ihn fast verloren zu haben. »Du wirst mich nicht verlieren. Wir werden einen Weg finden …«, sage ich so zuversichtlich, wie ich kann, lasse einige Sekunden verstreichen, in denen Kay erstarrt scheint, dann wage ich mich weiter vor. »Lass uns re…«
»Wir brauchen Feuerholz!«
Seine Worte gleichen einem wütenden Schrei und als er die gespitzten Stöcker aus der Erde reißt und mit schnellen Schritten in die Wüste entschwindet, ist es, als hätte das Raubtier mir seine Pranke durchs Gesicht gezogen.
Mit jedem Schritt, den er sich entfernt, schwindet meine Hoffnung, jemals zu erfahren, warum er den Gedanken nicht ertragen kann, mich zu verlieren.
Mein Scout kennt mich doch kaum!
Er wurde mir zugeteilt, hat nur wenige Stunden mit mir verbracht und mich in unserer gemeinsamen Zeit noch nicht einmal besonders freundlich behandelt, nur aus Kalkül heraus geküsst und immer hatte ich den Eindruck, es ginge ihm einzig darum, den Marker loszuwerden, seinen Teil des Paktes einzuhalten. Und im Grunde handelt er richtig, denn ich weiß, dass auch ich keine Gefühle zulassen sollte, denn sie lenken mich zunehmend von meinem Ziel ab: Jeremy, meine Eltern und unser Häuschen im Wald, all das verliert hier in der Wüste mehr und mehr an Bedeutung … Es erscheint fast so unerreichbar wie Kay.
Über meine Gedanken muss ich in einen traumlosen Schlaf gesunken sein, denn als ich die Augen aufschlage, steht die Sonne hoch am Himmel. Kay ist nicht aufgetaucht, aber neben mir auf dem flachen Stein liegen zwei aufgebrochene Fasskakteen und etwas, das aussieht wie ein gegrillter Salamander. Ich nage lustlos an dem trockenen Fleisch, sauge die Kakteenfrucht aus und kugle mich wieder zusammen. Der Stein in meinem Rücken hat sich von der Sonne aufgewärmt, weniger als ich es in der Wüste erwartet hätte, doch genug, damit ich nicht friere. Meine Erschöpfung und das Martyrium der letzten Tage zwingen mich bald in weitere traumlose Stunden. Als ich wieder erwache, stehen bereits Sterne am Firmament. Dicht neben mir kauert Kay. Die Beine umschlungen, den Kopf auf seinen Knien, scheint er zu schlafen, doch seine Atemzüge sind unruhig, gleich einem gehetzten Tier, und genauso erschöpft wirkt er auch, dunkle Schatten unter den Augen, die Haare wild ins Gesicht hängend.
»Du bist wieder hier«, flüstere ich.
Sofort öffnet Kay die Lider. »Wo könnte ich sonst sein …«
»Und?«
Dieses schlichte Wort beinhaltet all meine Fragen … Wirst du bei mir
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