Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
ich an Alisons Worte: Etwa zwei Stunden vor Ablauf eurer Zeit hier wirst du auf Menschen treffen. Eine Gruppe besoffener Goldgräber.
Ich sehe auf den Marker: Tatsächlich, mir bleiben nur noch knappe zwei Stunden, genau genommen eine Stunde und sechsundfünfzig Minuten.
Schnell kaure ich mich in den hoch gewachsenen Farn, der mich umgibt, und verteile feuchte Erde auf meinem Gesicht und meinem Haar. Eine dürftige Tarnung, aber als die Geräusche lauter werden, erkenne ich die Gruppe auf der anderen Seite des Flusses. Sie werden mich nicht sehen. Was ich jedoch sehe, erfüllt mich mit Grauen.
Eine Indianerfrau, unverkennbar, ja … mit langen Zöpfen, in bunt bestickte Ledertracht gekleidet, ist wie ein Stück Vieh an einen Planwagen gebunden und stolpert unbeholfen hinter dem Gefährt her. Eine Gruppe bewaffneter Männer, ich zähle insgesamt sieben, mit Schrotflinten über den Schultern, treiben die Frau grölend mit einem langen Stock an. Einer der Kerle trägt einen Schlapphut. Wie die anderen scheint er einen Heidenspaß an der Sache zu haben.
Schnell ist der von dürren Pferden gezogene Planwagen auf gleicher Höhe mit mir. Ich ducke mich tiefer in den Farn, schiele zu dem Mann mit Schlapphut. Er bricht gerade einen Weidenast ab, lässt ihn durch die Luft peitschen. Sein hämisches Lachen höre ich bis hierher.
»Hey, dreckige Rothaut, du bist ja lahmer als 'n Ackergaul! Schwing die Hufe!«
Der erste Hieb lässt mich zusammenzucken, der zweite mein Blut in den Adern gefrieren. Wieder und wieder knallt der Weidenast über das Lederkleid der Indianerfrau. Beim vierten Hieb platzt es auf. Blut läuft ihr die nackten Beine hinunter. Der Wagen holpert weiter. Noch sehe ich ihn, höre die Frau stöhnen. Da entreißt ein anderer Kerl seinem Freund den Stock, schlägt ihn ihr in die Kniekehlen. Sofort knickt sie zusammen, schlägt hart auf dem steinigen Boden auf. Immer wieder versucht sie, auf die Beine zu kommen. Zwecklos. Der Mann lacht rau. Die anderen grölen.
»Joe! Blas den Gäulen ma ordentlich Pfeffer in den Arsch!«, schreit der, der die Frau zu Fall gebracht hat.
Der Kutscher schwingt eine Schnapsflasche, holt weit aus, lässt die Peitsche niedersausen. Schnell verschwindet die Kutsche hinter einem Felsvorsprung. Das Letzte, was ich sehe, ist der blutüberströmte Körper der Frau. Willenlos schlägt er über den Boden.
Oh Gott … Oh Gott. Oh Gott!
Ich zittere, kann meine Hand kaum kontrollieren, die immer noch den Tomahawk hält. Ich starre auf die treibenden Eisplacken, wage mich eine lange Zeit nicht aus dem Versteck, warte, bis das Zittern nachlässt. Zwischen den Atemzügen lausche ich zum Fluss hinunter. Aber sie scheinen nicht wiederzukommen.
Waren das Kays Mörder? Und hätte er versucht, die Frau zu retten? Mit Sicherheit! Was auch immer Kay mit den Indianern verbindet, es ist stark genug, acht bewaffnete Männer anzugreifen, die nicht zögern, eine Indianerin zu ihrem Spaß zu töten.
Irgendwann fühle ich mich fähig, aus meinem Versteck zu kriechen, meine Füße Schritt für Schritt voreinander zu setzen. So schaffe ich es die nächsten dreißig Minuten gebückt durch den eisigen Wald, immer mit Abstand zum Flussufer. Dabei sehe ich wieder und wieder auf den Marker, der schließlich noch eine knappe halbe Stunde bis zum Ende der Challenge anzeigt.
Die Landschaft hat sich seit meinem Aufbruch in der Nacht verändert, vielmehr der Fluss hat sich gewandelt. Jetzt ist er deutlich breiter und strömt mit Kraft in die Richtung, aus der ich gekommen bin.
Ein tosendes Geräusch lässt mich taub für das Gezänk von Kindern werden, das ich aber suche, um alles zu verstehen , wie Alison mir vorausgesagt hat.
Ich vermute in der Nähe einen Wasserfall, der die schnell fließenden Massen das Flussbett hinunterdrückt, herausragende Steine schäumend überflutet und nur von einem niedrigen Canyon davon abgehalten wird, über die Ufer zu treten.
Der Wald endet abrupt an einer Abbruchkante, die den Canyon auf meiner Seite begrenzt. Auf der anderen ist die Felswand niedriger und das Wasser reicht direkt bis an den rauen Stein.
Auf Zehenspitzen bewege ich mich zu der Baumgrenze, um einen Blick über die Kante zum Flussbett zu werfen. Etwa zwei oder drei Meter unter mir blicke ich auf ein breiteres Ufer. Es ist verwüstet. Steine wurden beiseite geschafft, die Erde wirkt zertrampelt und übereinandergestapelte Stämme zeugen von dem Versuch, einen Staudamm zu bauen. Viel mehr kann ich nicht
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