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Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Kestner
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verloren, sie sind angreifbar, und ich werde nichts an dem Umstand ändern, so sehr sie mich auch foltern. Vielleicht, ganz vielleicht, werde ich irgendwann einen Weg finden, ihrem System zu entrinnen, mir den Marker aus der Hand zu reißen.
    In dem Moment, in dem ich diesen Gedanken fasse, hört der Schmerz auf und macht etwas viel Grauenvollerem Platz: Plötzlich fällt mir ein, was mich derart beunruhigt hat, als ich beim Holzsammeln meine Markerhand verletzte, das Blut zwischen den feinen silbernen Fäden hervorquellen sah …
    Wie waren Kays Worte in der Garderobe des Kinos gleich gewesen? Ich schließe die Augen, versuche mir unser Gespräch in Erinnerung zu rufen. Kay saß auf dem Tisch, die Joker in der Hand, die er mir zuschob, um eine Antwort zu verweigern. Ich unterbreche ihn, und frage: »Ist es nicht möglich, den Marker herauszuschneiden, sie könnten dich dann nicht mehr finden …«
    »Nur wenn du den Tod vorziehst. Er ist mit deinem neuronalen Netz verbunden.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ich war dabei, als mein Scout es versucht hat. Ich denke, sie wusste, was passieren würde, aber sie konnte das Ganze nicht noch einmal durchstehen …«
    »Sie? Eine Frau?«
    …
    Ich werde sein Scout sein, in zwei Jahren, ich bin die Frau, von der Kay sprach. Ich werde mir den Marker herausschneiden und … sterben.
    Ich reagiere nicht mehr auf das Piepen, lasse den Schmerz willenlos über mich ergehen …
    Zu wissen, wann der Zeitpunkt des eigenen Todes kommen wird, ist erschreckend. Zu wissen, dass es so bald sein wird, unerträglich. Warum sollte ich so etwas tun? Warum sollte ich mir den Marker herausschneiden, wenn ich doch weiß, es wird mich das Leben kosten? Es ist mir unbegreiflich!
    Also wird es keine Zukunft mit Kay geben … nicht wirklich. Keine Kinder, kein gemeinsames Altwerden. Und ich kenne noch nicht mal seinen Nachnamen. Zum Teufel, wieso habe ich ihn nie nach seinem Familiennamen oder seinem Wohnort gefragt? Insgeheim, gestehe ich mir ein, habe ich mir ein reales Leben mit Kay erträumt, außerhalb dieser abartigen Show. Und jetzt weiß noch nicht mal, ob er in meiner Realität überhaupt existiert.
    Wieder eine Schmerzwelle. Ich lasse sie mit zusammengebissenen Zähnen vorüberziehen.
    Eine ganze Weile hocke ich am aufgeweichten Ufer, registriere irgendwann nassharten Graupel, der auf mich prasselt, und zermartere mir mein Hirn, wie es mir gelingen kann, mein Schicksal zu wenden.
    Schließlich halte ich mich an der Idee fest, nichts sei unausweichlich. Ich werde mich doch nicht umbringen, jetzt da ich weiß, was passieren könnte. Ein zerbrechlicher Strohhalm, an den ich mich klammere, aber es kann viele Realitäten geben: eine Alison, die in einem Loft in Sydney lebt, eine, die sich den Marker herausreißt, und eine, die mit Kay zusammen alt wird.
    Erst als aus dem Graupel große Schneeflocken werden, stelle ich fest, dass der Schmerz nicht mehr wiedergekommen ist. Sie haben kapituliert. Ich sehe auf den Marker.
    »Strafpunkte … War ja klar!«
    Aus den fünf Tagen bis zum Ende der Challenge sind sieben Stunden und vierunddreißig Minuten geworden. Siebeneinhalb Stunden, um einen anderen Weg zu finden, meinen Schwur zu halten, meine Realität wiederherzustellen, ohne zur Mörderin zu werden. Ich rapple mich auf und wasche meine verdreckten Hände im Flusswasser.
    Während ich den Windungen des Flusses folge, halte ich nach den streitenden Kindern Ausschau. Die nächsten Kilometer sehe ich jedoch nichts als einen dichten Blätterwald, durch den die Sonne des Morgens bricht. Je weiter ich Richtung Norden gehe, desto kälter wird es. Aus dem Schneetreiben ist ein regelrechter Schneesturm geworden, den selbst die Bäume des Waldes nicht abhalten können.
    Mit an den Brustkorb gedrücktem Kinn kämpfe ich mich weiter, den Tomahawk in meinen eisigen Händen. Inzwischen müsste Kay erwacht sein und nach mir suchen. Wahrscheinlich erst am Lagerplatz, irgendwann jedoch wird er begreifen, dass ich nicht zurückkomme, und meine Fährte aufnehmen … Also gönne ich mir keine Pause, nicht einmal, um zu trinken.
    Am Nachmittag löst sich bei einem meiner Ballerinas die Sohle und ich bin gezwungen, kurz Rast zu machen. Vielleicht kann ich den Schuh irgendwie reparieren. Barfuß über den eiskalten Boden zu gehen, würde mich noch langsamer machen … Als ich den Schuh oder was davon übrig geblieben ist, ausziehe, höre ich plötzlich Stimmen: lautes Rufen, Grölen und Gelächter. Sofort denke

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