Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
verkaufen, um die Kinder zu ernähren … Apfelkuchen, der zur Familientradition werden wird und Tante Rose in etwa hundertfünfzig Jahren dazu veranlasst, auf den Baum hinter unserem Haus zu klettern, von dem sie fällt, sich die Hüfte bricht und damit Jeremys Zeugung verhindert. Dieses weinende kleine Kind mit der blutenden Wunde im Gesicht wird zu einem rachsüchtigen alten Widerling, zu einem Mörder werden und meine Familie zerstören!
Ich sehe auf den Tomahawk in meiner Hand. Der Junge ist direkt unter mir. Ich müsste die Axt nur fallen lassen. Noch ist niemand auf das Kind aufmerksam geworden. Ich kann all das Leid vermeiden.
Mein Marker zeigt zwei Minuten. Was sollte es jetzt noch für eine Alternative geben? Verschwommen sehe ich, wie eine der Frauen sich vom Feuer erhebt und mit gerafftem Rock auf das Kind zuläuft.
Ich hebe die Axt. Sie wiegt schwer in meiner Hand. Ich bin mir sicher, dass sie tödlich ist. Niemand wird mich finden. Ich werde ihre Zeit gleich verlassen. Die Frau ist nur noch zwanzig, dreißig Schritte entfernt. Der Junge sieht zu ihr auf.
Er ist ein Mörder , mache ich mir bewusst, atme tief durch und stütze meinen Ellenbogen auf einen Haufen Tannenadeln, die der Schnee nicht bedeckt hat, um mein Handgelenk ruhig zu halten.
Eine Bewegung unter dem aufgestützten Arm lässt mich eine Sekunde zögern. Die Nadeln fallen zur Seite, etwas windet sich langsam aus dem Nadelhaufen heraus, braun und weiß geschuppt, mit rautenförmigen Flecken auf dem Rücken … Ich erkenne sie sofort: eine Mojave-Klapperschlange, die ich offensichtlich in ihrem Winterschlaf gestört habe. Noch ist das Tier träge.
Hektisch flackert mein Blick von dem Kind, dessen Mutter es nun fast erreicht hat, zu dem Marker, der noch zwölf Sekunden anzeigt, zu der Schlange, die sich eben aufrichtet und bedrohlich mit dem Schwanzende rasselt.
Schon merke ich Übelkeit in mir aufsteigen. Gleich werden mir die Sinne schwinden. Eine vage Idee formt sich in meinem Kopf. Sie ist wahnwitzig, höchst riskant und alles andere als sicher. Aber sie ist eine Alternative. Es muss blitzschnell gehen, so schnell, dass sie es nicht sehen.
Ich drehe den Tomahawk, drücke mit der flachen Seite die Schlange nieder, greife mit meiner Markerhand hinter ihren Kopf, stopfe sie unter den Poncho und reiße sie mit mir in das Jahr 2013.
12. KAPITEL
31. AUGUST 2013
8.02 Uhr, irgendwo
Ein Blick genügt, um zu erkennen, dass dies nicht meine Realität ist. Ich stehe auf verödetem Land, zahllose Überreste zerstörter Häuser um mich, ein toter Hund, auf den sich Fliegen gesetzt haben. Es ist Buffy.
Unter meinem Poncho windet sich die Schlange. Sie ist tatsächlich mit mir portiert worden! Ich fasse noch fester zu, ihren Kopf im Klammergriff, weg von meinem Körper.
Wird mein Plan aufgehen?
Die nächsten Sekunden werden entscheiden. Tief ziehe ich in meine Lunge Luft. Sie stinkt.
»Ich nehme meine Realität nicht an!«, höre ich mich schreien.
Sofort wird mir übel, noch schaffe ich es, das Tier zu halten …
13. KAPITEL
2417
Auf der Showbühne
Sie haben mich tatsächlich direkt auf die Bühne portiert, genau wie der Techniker Hans es mir vor vier Wochen angekündigt hat. Unter mir wabert Nebel, durchbrochen von Abertausenden Lichtstrahlen, die mein Erscheinen in Szene setzen.
Zum Glück spüre ich den festen Leib der Schlange an meinem Körper. Ihr Schwanz zuckt hektisch, gibt dabei rasselnde Geräusche von sich. Mir kommen sie überlaut vor. Genau wie mein Herz. Es führt einen Boxkampf in meiner Brust auf und ich meine, Wum Randy müsste beides, das Rasseln der Klapperschlange wie das Schlagen in meiner Brust über den Applaus hinweg hören.
Wo ist er überhaupt?
Das Licht irgendwelcher Spots blendet mich. Ich blinzle, lasse beinahe das zornige Tier los, um meine Augen abzuschirmen, dann aber sehe ich ihn.
Wum Randy tritt aus dem in Dunkelheit versenkten Rand der Bühne. Er wird von roten Scheinwerfern angestrahlt und trommelt sich mit einem »Hu-hu-hu-hu« auf den Mund.
Ein Indianerschrei - geschmacklos!
Seine Haare sind lang, tiefschwarz, Federn stecken unter einem bestickten Stirnband, im Gesicht kriegerische Bemalungen, dazu fransige Ledertracht am Körper.
Ich denke an die geschundene Frau hinter dem Planwagen und meine Wut auf diesen Mann steigert sich in lodernden Zorn. Wie gern würde ich ihn über steinigen Boden schleifen!
Aber der Applaus verebbt und ich darf keine Zeit mit Träumereien verschwenden.
Wum
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