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Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Kestner
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sehen, denn der Fluss macht eine scharfe Rechtskurve um die Steilwand herum. Trotzdem bin ich mir sicher, bald werde ich auf andere Menschen stoßen.
    Mein Marker zeigt einundzwanzig Minuten bis zum Ende dieser Zeitreise und ich beeile mich so gut ich kann, ohne meine Tarnung im Wald aufgeben zu müssen.
    Inzwischen friere ich erbärmlich. Selbst der stinkende Ziegenfellponcho kann die Kälte nicht abhalten, die mit dem Wind zusammen in meine dürftigen Kleider kriecht. Meine Zehen fühlen sich taub an. Meine Hände sind so eisig, dass ich den Tomahawk ständig in die andere Hand nehme, um die freie unter dem Fell zu wärmen.
    Dann, als der Marker fünfzehn Minuten unterschritten hat, sehe ich weißen Rauch am Flussufer und gehe in gebückter Haltung bis an den Rand des Waldes. Der Fluss windet sich jetzt einer Schlange gleich bis zu dem Bergmassiv, aus dem tatsächlich ein Wasserfall bricht. Von hier aus kann ich jedoch noch nicht über die Abbruchkante sehen.
    Raue Rufe dringen zu mir hoch. Ich verstehe den Inhalt nicht, aber es klingt wenig freundlich. Wenige Meter vor mir stehen noch zwei weitere Tannen dicht beieinander, deren Wurzeln teils über den Abhang fallen. Vielleicht sollte ich hinter diesen Bäumen Schutz suchen, aber der Boden dort ist viel schneebedeckter als unter den schützenden Baumkronen des Waldes. Weiß und schwarz, ein unglücklicher Kontrast zu meinem mit Erde verschmierten Gesicht und meinem dunklen Haar.
    Die verdammte Angst hält mich an der Stelle! Aber dann höre ich helle Schreie, die wütenden Stimmen von Kindern. Mein Marker zeigt neun Minuten und sechzehn Sekunden und ich wage den Sprung nach vorn, lasse mich bäuchlings in den Schnee fallen, blicke auf das Ufer hinunter.
    Niemand schaut zu mir hoch.
    Zwei Jungs, nicht älter als fünf Jahre, stehen mit hochgekrempelten Hosen an einem großen Haufen matschbedeckter Steine und schubsen sich. In ihrer Nähe arbeiten an die zwanzig Männer am Fluss, viele über Schalen gebeugt, durch die sie Wasser schöpfen. Einige schaufeln Schlamm aus dem Fluss, andere schaffen Steine beiseite, ausgerüstet mit Hacken und Spaten. Vor der nächsten Biegung des Flusses steht eine Reihe heller Zelte, davor, an einem Feuer, sitzen zwei Frauen in knöchellangen Kleidern und machen sich an einem Kessel zu schaffen. Auch sie beachten die streitenden Kinder nicht, die sich inzwischen direkt unter die beiden Tannen getrieben haben.
    Jetzt verstehe ich auch ihre Worte, viel mehr ihr Geschrei.
    »Den hab ich gefunden! Gib ihn mir wieder!«, fordert der Kleinere von beiden und hüpft nach oben, versucht dem anderen etwas zu entreißen.
    Ich robbe mich noch weiter vor, um zu sehen, was es ist. Jetzt verbirgt der Größere es jedoch hinter dem Rücken und faucht: »Ich hab ihn zuerst gesehen! Den kriegst du nimmer!«
    Wütend schleudert der andere einen faustgroßen Stein nach seinem Gegner und trifft ihn am Auge.
    »Das büßt du mir, du Sohn einer verlausten Hure!«, schreit der Getroffene und stürzt sich auf den Kleinen.
    Ein paar Sekunden kugeln die beiden über die Erde. Dann sehe ich hellglänzend einen faustgroßen Goldklumpen zwischen die grauen Steine kullern. Ein Vermögen, von dem anscheinend noch keiner der Erwachsenen Wind bekommen hat.
    Auch der Junge, der den Stein geworfen hat, sieht das Gold, greift blitzartig danach, windet sich unter seinem Widersacher hervor und schreit: »Ich habe zumindest eine Mutter!«
    Noch bevor der Kleine losrennen kann, schlägt ihn der andere in die Kniekehlen und fährt mit einem scharfkantigen Stein in der Hand über das Gesicht des Jungen. Die Wucht des Schlags hat die Wange des Kindes vom Auge bis in den Mundwinkel aufgeschlitzt. Blut fließt ihm über die Seite. Der Kleine lässt mit weit aufgerissenen Augen das Nugget fallen und fasst sich an die klaffende Wunde.
    In dem Moment fügt sich alles für mich zusammen. Noch während ich den Großen davonpreschen sehe, verstehe ich, dass es sich um meinen Urururroßvater Hamilton handelt. Er hat dem Jüngeren die Narbe verpasst, die ihn noch achtzig Jahre später zeichnet. Ein wulstiges Ding, das bis in dessen Mundwinkel reicht. Der Kleine wurde um sein Vermögen betrogen und entstellt. Genug für einen über Jahrzehnte anschwellenden Hass. Einen Hass, der sich in Rache entlädt. Eine Rache, in dessen Flammen meine Urgroßtante Alison verbrennen wird, die Destille von Hamilton zerstört werden wird, meine Vorfahren von da an gezwungen sein werden, Apfelkuchen zu

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