Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
versuchte noch, sich mit der freien Hand an der langen, schwarzen Mähne festzuklammern, und plumpste dann mitsamt seiner Armbrust kopfüber in den matschigen Dreck. Hanna schüttelte Zacharias, der immer noch starr vor Schreck da stand, als hätte er mit der ganzen Sache nicht das Mindeste zu tun.
„Lauf doch, oh Gott, so lauf doch endlich“, schrie sie noch einmal und plötzlich spürte er eine Woge aus Wärme und Zuversicht in sich hochsteigen, die seine Furcht hinwegspülte. Er drückte ein letztes Mal ihre Hände und rannte davon, in Richtung der kleinen Brücke, über die der Weg zu der Waldlichtung führte.
Als er zurückschaute, sah er, dass der Burgvogt schon wieder aufrecht stand und Hanna angstvoll vor ihm zurückwich und er sah, wie der Burgvogt die Armbrust aufhob, nach dem Zaumzeug griff und sich in den Sattel schwang. Er rannte weiter, rannte, wie er noch nie gerannt war. Schon kam das Donnern des galoppierenden Hengstes näher, immer näher, gleich hatte der reitende Tod ihn eingeholt, er federte auf den Zehenspitzen, hin zu der kleinen Brücke, jetzt war es nicht mehr weit bis zum Wald, vielleicht konnte er sich irgendwo verstecken!
Aber dicht hinter sich hörte er das wilde Lachen des Burgvogts, er musste schneller werden, viel schneller, seine Füße schienen die vereisten Stämme der Brücke kaum noch zu berühren. Mit einem riesigen Satz jagte er an das andere Ufer. Gleich bin ich im Wald, im Wald kann ich es schaffen ... und dann stolperte er in dem trügerischen Zwielicht des Mondes über einen Stein, der mitten im Weg lag. Aus vollem Lauf überschlug er sich, blieb auf dem Rücken liegen und sein Blick ging in den Nachthimmel, der übersät war von Abertausenden Sternen und plötzlich war er ganz ruhig, wie gut fühlte es sich an, dass er noch einmal etwas so Schönes sehen durfte, bevor er sterben musste.
Er hörte ein Wiehern und als er den Kopf drehte, sah er, wie der Burgvogt das Pferd antrieb, um es auf die Brücke zu lenken, doch der Hengst scheute und schien sich vor der eisglatten Fläche zu fürchten. Wütend hieb ihm der Burgvogt die Stiefel in die Seite, und nun setzte der Hengst langsam und zögernd einen Huf nach dem anderen auf die Balken der Brücke.
Nun ist es wirklich vorbei, alles war umsonst, er würde Mama und Papa und Zinchen nicht wiedersehen und niemals würden sie wissen, wo er geblieben war. Er hätte gerne geweint, aber seine Augen blieben trocken, als wollten sie nicht akzeptieren, dass nun das Ende kam.
Der schwarze Hengst war jetzt mitten auf der Brücke und langsam, sehr vorsichtig, setzte er einen Huf vor den anderen. Aber da war noch etwas. Zacharias kniff die Augen zusammen, das fahle Mondlicht ließ alle Umrisse verschwimmen, doch dann erkannte er, dass er sich nicht getäuscht hatte. Hinter dem Reiter auf seinem Pferd b ewegte sich ein Schatten auf die Brücke zu.
„Nur keine Sorge, gleich bin ich bei dir“, rief der Burgvogt triumphierend. Er zog sein Schwert und jetzt sah Zacharias, dass der Schatten in Wirklichkeit Hanna war. Sie ließ ihren Arm mit der Schleuder über dem Kopf kreisen, dann öffneten sich die Lederriemen und mit einem leisen Patsch landete der Stein auf dem Hinterteil des Pferdes. Der Hengst wieherte erschrocken und stellte sich steil auf die Hinterbeine. Der Burgvogt schrie auf, hielt sich an den Z ügeln fest und versuchte fluchend, im Sattel zu bleiben. Doch hoch aufgerichtet glitt das riesige Tier wie in einem grotesken Tanz über die spiegelglatten Holzbohlen und der mächtige Leib durchbrach mit kaum zu fassender, wundersamer Leichtigkeit das Geländer der Brücke.
Als Pferd und Reiter aufschlugen, zersplitterte das Eis, das sich an den Rändern des schmalen Bachlaufs gebildet hatte und das Wasser spritzte, als wäre es froh, seinem langweiligen Bett zumindest für diesen kurzen Augenblick entfliehen zu können.
Tod eines Mörders
Das geschieht diesem Widerling recht, dachte Hanna und befestigte zufrieden die Schleuder an ihrem Gürtel. Die Abkühlung würde ihm gut tun.
Aber wo war Zacharias? Sie hatte gesehen, dass er gestürzt war. Ob er sich verletzt hatte? Sie musste zu ihm, schnell, bevor der Burgvogt wieder auf den Beinen war. Sie lief über die Brücke und sah das Pferd in dem flachen Wasser auf der Seite liegen. Der Hals des Tieres war merkwürdig abgeknickt und es rührte sich nicht. Mit dem Rücken auf dem Boden des Flussbettes war der Burgvogt fast vollständig unter dem massigen Körper begraben.
Weitere Kostenlose Bücher