Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
und schüttelte den Kopf.
„Nein, es war ein Trick. Mein Meister hatte ein kleines Stück Gold bei sich. Die Wachen hatten es nicht gefunden.“
Dass es sich um eine goldene Zahnkrone gehandelt hatte, verschwieg er. So etwas war in Hannas Welt unbekannt und er fürchtete die Fragen, die unweigerlich gestellt worden wären.
„Am nächsten Morgen haben wir so getan, als hätten wir das Gold selbst hergestellt. Der Graf hat uns geglaubt, aber er wollte mehr, viel mehr sogar. Er hat Meister Freisius gedroht, mich zu töten, wenn es nicht gelingt. Und deshalb hat er mich auch nicht freigelassen. Er brauchte mich als Pfand.“
„Hätte man sich eigentlich denken können, dass es so kommt“, murmelte Herlinde.
„Und dann?“, fragte Hanna ungeduldig, „wieso hat er dich dann doch gehen lassen?“
„Hat er ja nicht.“
Zacharias nahm noch einen tiefen Zug aus dem Krug.
„Ich bin geflohen. Zuerst aus der Burg und dann aus der Stadt.“
Die drei sahen ihn bewundernd an und er erzählte ihnen die Abenteuer der letzten Stunden in allen Einzelheiten.
„Und dann hat mich der bucklige Jonas mit seinem Karren bis zum Waldrand gefahren und jetzt bin ich hier“, schloss er seine Geschichte.
„Und was willst du jetzt machen?“ fragte Herlinde. „Der Graf wird deinen Meister niemals freilassen. Vielleicht lässt er ihn sogar für deine Flucht büßen und bestimmt wird sein getreuer Burgvogt überall nach dir suchen. Vielleicht ist er sogar schon auf dem Weg hie rher. Es könnte übel für uns alle ausgehen, wenn sie dich hier finden.“
Hanna sah sie empört an. „Aber Mutter! Du solltest nicht vergessen, dass Meister Freisius uns das Leben gerettet hat!“
Herlindes Augen funkelten. „Und du solltest nicht vergessen, dass auch wir ihm sein Leben wiedergeschenkt haben, als wir ihm Gastfreundschaft und Heilung zuteilwerden ließen. Wir stehen also nicht in seiner Schuld. Außerdem solltest du daran denken, dass wir den Kerker von Burg Sonningen schneller wiedersehen können, als uns lieb ist!“
Zacharias hob beschwichtigend die Hand. „Bitte streitet nicht. Ihr müsst meinetwegen keine Angst haben. Ich bin nur hierhergekommen, um mich von euch zu verabschieden. Ich werde wieder aufbr echen, jetzt gleich.“
„Aber wo willst du denn hin?“, fragte Hanna entgeistert. „Es ist Nacht, es ist Winter und du bist ganz allein.“
„Ich weiß. Aber ich muss gehen. Ich habe keine Lust, mich hier wieder einfangen zu lassen.“
Zacharias zögerte einen Moment. „Mach dir keine Sorgen. Ich kenne einen sicheren Ort.“
„Und wo soll der sein, dein sicherer Ort?“
„Wenn ich es euch nicht sage, kann euch auch niemand danach fragen.“
Zacharias zog das flache Holzstück hervor, das er nun schon so lange bei sich trug, und sah Hanna an. „Das hier habe ich für dich gemacht. Zur Erinnerung. Du wirst es bestimmt gut gebrauchen können.“
Er legte das Holzstück auf den Tisch. Im flackernden Schein der Kerze sah es aus, als würden die eingekerbten Buchstaben auf der rauen Oberfläche des Holzes tanzen, so unregelmäßig waren sie in Form und Größe. Doch es fehlte kein einziger Letter, das ganze Alphabet war in das Holz geschnitzt.
Hanna strich andächtig über die tiefen Kerben. „Das ist ... das ist wunderschön. Damit werde ich es bestimmt schaffen, richtig lesen zu lernen.“
„Ja“, sagte Zacharias. „Damit wirst du es schaffen.“
Auf einmal war er schrecklich müde. Aber es wurde Zeit. Er durfte nicht mehr warten. Sein Besuch hatte schon länger gedauert, als er geplant hatte.
Er stand auf, nahm seinen Umhang und warf ihn über die Schultern. „Ich wünsche euch alles Gute. Habt Dank für alles, was ihr für uns getan habt.“
Herlinde reichte ihm die Hand. „Mögen deine Wege sicher und dein Herz mutig sein.“
„Viel Glück“, sagte Hanna leise.
Zacharias schluckte. Verdammter Kloß im Hals.
Hanna öffnete die Tür. Kalt strömte die Nachtluft herein. Er zog den Umhang vor der Brust zusammen und trat hinaus in die mondbeschienene Stille. Bloß nicht mehr zurückschauen, sonst würde er vielleicht doch noch anfangen zu heulen. Aber der Vorsatz hielt nur ein paar Schritte. Er seufzte und drehte sich um für einen letzten Blick. Hanna stand auf der Schwelle. Tränen funkelten in ihren A ugen.
Sie achteten beide nich t auf die langgezogenen, bedrohlichen Schatten, die das silbrige Mondlicht in den lehmigen Schmutz der Dorfstraße zeichnete.
Das ungeduldige Wiehern eines
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