Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
wart!“
„Das will ich gerne tun, Herr. Es war um die dritte Stunde am Morgen, als ich gerufen wurde. Ich sah sogleich, dass es eine schwere Geburt sein würde.“
Er zog ein Tuch hervor und schnäuzte sich umständlich.
„Schwer, aber nicht ungewöhnlich“, fügte er mit einem Seitenblick auf Herlinde hinzu.
„Selbstverständlich habe ich die Schwangere zunächst einmal mit dem Flebotomum zur Ader gelassen, um ihr Erleichterung zu verschaffen. Ihr Blut war durch die Anstrengung zum großen Teil verbraucht, sodass einiges davon entfernt werden musste.“
„Zur Ader gelassen.“ Herlinde schnaubte verächtlich. „Das ist das Einzige, was euch einfällt, euch gelehrten Doctores! Dadurch ist sie nur noch schwächer geworden!“
Der Medicus lächelte überlegen. „Hört nicht auf sie, Herr. So wahr ich hier stehe, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich eine hervorragende Ausbildung bei den führenden Ärzten des Landes genossen habe.“ Er rümpfte die Nase. „Diese Frau hier ist dagegen im Wald aufgewachsen.“
Die Zuschauer lachten.
„Dieser dreckige Mistkerl!“ hörte Zacharias von der Seite, wo Hanna stand.
Der Medicus wandte sich wieder an den Grafen. „Ich versichere Euch, Herr, jeder Heilkundige weiß, dass ein tüchtiger Aderlass niemals falsch sein kann.“
„Glaubt Ihr auch, dass die Angeklagte das Weib des Marktvorstehers verhext hat?“, fragte der Graf.
Der Medicus rückte ein wenig von Herlinde ab.
„Ich war zwar zu Ende der Geburt nicht zugegen, da ich noch einen weiteren, wichtigen Fall zu behandeln hatte. Aber gleichwohl halte ich es für möglich. Gewiss, die Schwangere hatte Schmerzen, als ich sie verließ. Aber das ist nichts Ungewöhnliches und ich bin sicher, dass alles in Ordnung gekommen wäre.“
Er schaute Herlinde böse an.
„Wenn sich diese Hexe nicht herbeigeschlichen hätte. Kein Studium der Medizin, keine ordentliche Ausbildung, aber sich als Heilerin aufspielen. Wo kämen wir hin, wenn das jeder wollte? Ein Kind drehen im Mutterleib. Hat man so etwas schon gehört? Nein, was sie getan hat, kann nur Hexerei sein!“
„So ist es!“, rief es aus der Zuschauermenge. „Recht hat der Medicus!“
„Wir haben genug gehört, Meister Podeus, ich danke Euch. Ihr seid entlassen.“
Dann sagte der Graf zu Herlinde: „Du hast nun nochmals die Gelegenheit, dich zu verteidigen, Weib.“
„Nichts leichter als das“, gab Herlinde zurück. „Die Salbe, die ich benutzt habe, war nichts anderes als Schweinefett, um die Haut geschmeidig zu machen. Es ist dann leichter, den Bauch zu pressen, um das Kind in die richtige Lage zu bringen. Vielleicht roch es ein wenig ranzig, aber geschadet hat es sicherlich nichts.“
„Und die Beschwörungen, die du gemurmelt hast?“ Wieder trommelte der Graf mit den Fingern auf dem Tisch. Zacharias hatte den Ei ndruck, dass ihm das alles schon viel zu lange ging.
„Beschwörungen! So ein Unsinn!“, lachte Herlinde verächtlich. „Ich habe gebetet, Gott angefleht, dass er mir helfen möge, das Kind und seine Mutter zu retten!“
Wilfried von der Gaag sprang von seinem Stuhl auf. „Sie lästert Gott den Herrn! Das dürfen wir nicht zulassen! Diese Hexe dient dem Teufel und nimmt zugleich den Namen Gottes in den Mund!“
„Beruhige dich, mein Freund“, sagte der Graf und drückte den Burgvogt sanft zurück auf seinen Platz.
„Wir werden der göttlichen Gerechtigkeit schon noch zum Sieg verhelfen.“
Leise sprach er noch einige Sätze mit dem Burgvogt und den beiden Ratsherren. Dann stand er auf und verkündete mit lauter Stimme:
„Das Gericht ist in einer schwierigen Situation. Aussage steht gegen Aussage. Ich persönlich neige dazu, daran zu glauben, dass diese Frau der Hexerei schuldig ist. Denn drei ehrenwerte Bürger von Sonningen sind dieser Auffassung und haben hierzu wichtige Dinge von hoher Überzeugungskraft vorgetragen.“
In diesem Augenblick wirbelte Hannas Mutter vor dem Gerichtstisch herum und rief mit funkelnden Augen in die Menge der Zuschauer: „Habt Ihr Euch eigentlich schon einmal überlegt, dass ich Euch alle in stinkende Schweine verwandeln würde, wenn ich wirklich eine Hexe wäre?“
Das Publikum duckte sich unter ihrem Blick. Es war totenstill. Jeder schien zu hoffen, dass Herlinde nicht in seine Richtung sah.
„Ergreift sie!“, befahl der Graf. „Und bindet ihr das Schandmaul zu!“
Zwei Wachen rissen Herlinde weg von den Zuschauern, schoben ihr einen Strick zwischen die Zähne und
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