Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
führte eine steile Wendeltreppe nach oben, wo ein mannshohes Gitter den Ausgang versperrte. Der Bärtige schloss das Gitter mit dem größten Schlüssel auf, den Zacharias je gesehen hatte. Quietschend schwang es zur Seite und gab den Weg in den Burghof frei.
Nach den langen Stunden in dem feuchten, muffigen Kerker tat die frische Luft gut, und dankbar hielt Zacharias das Gesicht in den kalten Wind.
Sie standen direkt vor einem der Türme, nahe dem zweigeteilten, mächtigen Tor. In einer Ecke des Burghofes wurde im allerletzten Tageslicht noch an einem neuen Bauwerk gearbeitet, das wie alle anderen Gebäude nicht freistehend errichtet wurde, sondern direkt an die Außenmauer der Burg anschloss. Es sah so aus, als ob es ein einfaches Fachwerkhaus mit zwei Stockwerken werden sollte. Auf den verschiedenen Ebenen eines hohen Gerüsts waren Arbeiter dabei, die Holzkonstruktion mit Lehm zu verputzen.
Ganz oben hatten die Männer eine Art Kran aufgestellt, dessen Querbalken ein gutes Stück über den Rand des Gerüsts hinausragte. Über ein Rad an der Spitze des Balkens lief ein dickes Seil hinab bis auf den Boden, an dem ein gewaltiges Kantholz festgebunden war. Das andere Ende des Seils, oben auf dem Gerüst, führte zu einer Winde, die aus zwei übergroßen Rädern bestand, welche mit Sprossen verbunden waren. Zwischen den Rädern, auf einer dieser Sprossen, stand ein Arbeiter, dem das dünne, schweißnasse Hemd am Körper klebte. Er stemmte sein ganzes Gewicht auf die Sprossen vor ihm, wie ein Hamster in einem riesigen Laufrad kletterte er mit Händen und Füßen immer weiter und ächzend setzte sich die Winde in Bewegung. Das Seil wickelte sich auf und langsam schwebte das Kantholz in die Höhe.
Zacharias musste schmerzhaft erfahren, dass dies nicht gerade der beste Zeitpunkt war, mittelalterliche Baukunst zu bestaunen. Ein Fausthieb des Wächters traf ihn so fest zwischen die Schultern, dass ihm fast die Luft wegblieb.
„Los, weiter, du kleine Kröte oder willst du hier festwachsen?“
Als wäre der Schlag noch nicht genug gewesen, erhielt er noch einen kräftigen Tritt in die Kniekehlen. Keuchend stolperte er vorwärts, den anderen hinterher, zu dem Herrenhaus auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes. Innen führte eine breite Treppe mit flachen St ufen in das obere Stockwerk. Vor einer halb geöffneten Flügeltür hielt dort ein Mann in Harnisch und ledernen Hosen Wache. Als er die Ankömmlinge bemerkte, stellte er sich ihnen mit seiner Hellebarde in den Weg. „Ihr könnt hier nicht hinein!“
„Blas dich nicht so auf, Franziskus“, grunzte der Wächter mit dem braunen Zottelbart. „Der Graf will diese Gefangenen sehen!“
„Aber der Graf und der Burgvogt teilen mit Gästen die Abendtafel. Du weißt, dass die beiden dabei nicht gern gestört werden!“
„Sehe ich etwa aus, als wäre ich lebensmüde? Ich habe ausdrücklichen Befehl, dieses Pack hier zum Grafen zu bringen. Also los, mach gefälligst Platz.“
„Also gut“, brummte Franziskus und zog die Hellebarde zurück. „Auf deine Verantwortung.“
Tierfelle und wollene Teppiche bedeckten zu einem Gutteil die ungleichmäßig geformten Steinplatten des Saalbodens. Die schmalen, glaslosen Fenster mit ihren hohen Rundbögen waren zum Schutz gegen die Winterkälte mit Decken verhängt. Stoffbahnen in den grä flichen Farben schmückten die Wände und am Ende des Saales loderte in einem übermannshohen, gekachelten Kamin ein beeindruckendes Feuer. Davor lag auf Holzböcken eine polierte Tischplatte, die sich unter Kerzenleuchtern, dampfenden Schüsseln, Tellern und Krügen bog.
Mit dem Rücken zum Feuer saß ein Dutzend Männer an der Tafel wie aufgereiht. In ihrer Mitte hatte der Graf von Sonningen mit seinem Burgvogt Platz genommen. Sie hieben ihre zweizinkigen Gabeln in dicke Fleischstücke, tranken, dass ihnen der Bierschaum von den Bärten troff, lachten und unterhielten sich.
Küchenjungen trugen auf ihren Schultern silberne Platten mit Gebratenem durch den Saal. Als sich einer von ihnen vorbeugte, um dem Grafen ein Stück auf den Teller zu legen, tropfte ein wenig von der dunklen Soße auf das Wams des Burgvogts. Der stieß einen wütenden Schrei aus, sprang auf und ohrfeigte den Jungen rechts und links, dass dessen Kopf von einer Seite auf die andere flog. Dann packte er ihn an den Schultern, drehte ihn herum und trat ihn mit aller Gewalt in den Hintern. Unter dem Gelächter der Männer stolperte der Küchenjunge heulend
Weitere Kostenlose Bücher