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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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kommen konnte – wenigstens nicht so, wie er ihn kannte, als Sohn Elmer Danburys. Er, Paul Danbury, war somit ein Unikum, ein Wunderknabe, der keinen Vater hatte, nie einen hatte haben können. Trotzdem existierte er noch.
    Seine Tat mußte jedoch andere Folgen gehabt haben. Wenn die Überlegung ihn nicht täuschte, dann würde es, wenn er in seine Zeit zurückkehrte, keine Konkurrenz in Form der Zavecchi’s Moving and Storage geben. Der Geldverleih an Mario Zavecchi hatte nicht stattgefunden. Die Neugierde lebte wieder auf. Paul wollte wissen, wie es in seiner Zeit aussah, welche Konsequenzen seine heutige Tat dort gezeitigt hatte. Natürlich würde er sich mit den Leuten vom Advanced Research Laboratory auseinandersetzen müssen; aber das dünkte ihn nicht besonders schwer, da er ja die Zeitmaschine unversehrt wieder zurückbrachte.
    Mit Sorgfalt stellte er die Koordination seines Zielpunktes auf der Konsole ein. Dann aktivierte er das Zeitfeld. Der Zylinder begann zu zittern und zu brummen. Lichter glitten über die Schalttafel und bildeten eine Minute lang ein wirres, flackerndes Muster. Schließlich hielten sie an, und eine grelle grüne Lampe flammte auf. Die Reise war beendet. Paul S. Danbury war an den Ausgangspunkt seines Abenteuers zurückgekehrt.
    Vorsichtig öffnete er die Tür. Der Anblick, der sich ihm bot, entsetzte ihn. Die Umgebung, in der die Zeitmaschine gelandet war, hatte keinerlei vertraute Züge. Er befand sich mitten auf einer endlosen Ebene, die mit kurzgeschnittenem Gras so dicht bedeckt war, daß der Überzug wie ein synthetischer Teppich wirkte. In der Ferne bemerkte Paul, wahllos über die weite Rasenfläche verteilt, eine Handvoll kleiner Gebäude, würfelförmiger Strukturen, von denen eine so aussah wie die andere, alle etwa mit fünf Metern Kantenlänge, einem quadratischen Fenster in drei Seitenwänden und einer schmalen, hohen Tür in der vierten. Es war ein Bild, wie es sich ein surrealistischer Maler hätte ausdenken können. Der Himmel, der sich über der Szene wölbte, hatte eine merkwürdig violettblaue Färbung. Es war ein völlig fremdartiger Anblick, wie von einer anderen Welt, eigenartig leblos in seiner strengen, geometrischen Zusammensetzung.
    Pauls Zeitmaschine stand völlig schutzlos. Es gab auf dieser endlosen Wiese keine Deckung. Es schien jedoch auch keine Menschen zu geben. Das machte den Nachteil wieder wett. Die Neugierde machte Paul Danbury zu schaffen. Nach längerer Überlegung machte er sich auf den Weg zu dem nächstliegenden Würfelhaus. Dabei stellte sich heraus, daß die Konturlosigkeit der Ebene den Blick täuschte. Die Entfernungen waren nicht so gewaltig, wie Paul auf den ersten Blick geglaubt hatte. Er brauchte nur acht Minuten, um das Haus zu erreichen. Zuerst schritt er es von allen Seiten ab. Er versuchte, durch die Fenster zu blicken. Aber statt Glas enthielten sie ein dunkles, undurchsichtiges Material, das keinen Durchblick gestattete. Schließlich näherte er sich der Tür. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, da öffnete sie sich von selbst. Eine junge Frau stand unter der Öffnung. Paul fuhr mit einem Schrei des Entsetzens zurück.
    Das war Nancy, Nancy Danbury, seine Großmutter, wie er sie noch vor wenigen Stunden gesehen hatte. Mittelgroß, schlank, flachbusig, sorgfältig zurechtgemacht und hübsch.
    »Wer sind Sie …?« stammelte Paul entsetzt.
    Die Frau antwortete mit Lauten einer Sprache, die Paul nicht kannte. Ihr Gesicht war völlig reglos, wie das eines Roboters. Plötzlich wurde sie beiseite geschoben. An ihrer Stelle erschien ein Mann.
    »O Gott …!« schrie Paul.
    Der Mann war Elmer S. Danbury, sein Großvater, den er vor weniger als zwei Stunden mit eigener Hand umgebracht hatte. Wie kam er hierher? Was für eine Welt war das? Paul wandte sich um und lief taumelnd weiter, auf das nächste Haus zu. Er war nicht mehr Herr seiner Gedanken. In seinem Bewußtsein dröhnten die Trommeln des Irrsinns. Das nächste Haus … die nächste Tür … die nächste Frau, Nancy … der nächste Mann, Elmer!
    Und immer weiter. Von Haus zu Haus, eines wie das andere, würfelförmig, drei Fenster und eine Tür. Unter den Füßen den weichen Teppich des synthetischen Rasens. Türen, die sich von selbst öffnen. Frauen, die wie Nancy, und Männer, die wie Elmer aussehen. In jedem Haus eine Nancy und ein Elmer. Wahrhaft furchtbar suchte das Schicksal Paul S. Danbury heim.
    Schließlich stürzte er und fiel vornüber in das synthetische Gras. Mit

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