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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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den Fäusten bearbeitete er den Boden, mit den Zähnen biß er in die künstlichen Pflanzenfasern. Die Männer und Frauen in den würfelförmigen Häusern kümmerten sich nicht um ihn. Die Türen hatten sich geschlossen, und die Nancys und Elmers befanden sich wieder im Innern ihrer Wohnwürfel, ein Leben lebend, das Paul Danbury nicht verstand.
    Schließlich kam der Wahnsinn und erlöste ihn von seiner Qual …
     
    Wenn Paul Danbury, bevor er sich auf das begab, was er eine Zeitreise nannte, sich zuvor mit der Theorie des Raum-Zeit-Kosmos befaßt hätte, dann wäre ihm beim Anblick der fremden Welt mit dem synthetischen Rasen wohl klargeworden, welches Phänomen er hier erlebte. Da jedoch Paul von der Raum-Zeit-Kosmologie nichts verstand, blieb ihm das Ergebnis unerklärlich und raubte ihm schließlich sogar den Verstand.
    Denn wenn es wahr ist, daß im Schoße des raum-zeitkosmischen Gefüges alle denkbaren Universen realisiert sind, dann muß es unter dieser nahezu unendlich großen Zahl von Universen auch ein solches geben, in dem die Stelle der Erde von einer Welt eingenommen wird, deren ebene Oberfläche von kurzgeschnittenem, synthetisch wirkendem Gras bedeckt ist und auf der würfelförmige kleine Häuser mit fünf Meter Kantenlänge stehen, ein Haus wie das andere, bewohnt jeweils von einem Mann und einer Frau, die Duplikate von Elmer S. und Nancy Danbury sind.
    Daß Paul Danbury allerdings gerade in diesem Universum landete und nicht zum Beispiel in einem, in dem die Bewohner der Würfelhäuser die Duplikate anderer Personen sind, oder auch überhaupt keine Duplikate, sondern eigenständige Wesen, die nur sich selbst ähneln – das allerdings ist ein Zufall, der so unglaublich ist, daß man dahinter fast das Walten eines ironischen Schicksals vermuten möchte.
    Indem er sich an die Konsole der Zeitmaschine setzte und Schaltungen vorzunehmen begann, setzte Paul Danbury eine Kette von Ereignissen in Bewegung, über deren Verlauf er mit seiner verschrobenen, kindischen Vorstellung von der Eindimensionalität der Zeit keinerlei Kontrolle hatte. Er hätte schon bei seiner Ankunft im Jahre 1964 eine Welt vorfinden können, die mit der von der Geschichte überlieferten keinerlei Ähnlichkeit hatte. Der Zufall wollte es anders. Die Welt des Jahres 1964 war genauso, wie Paul Danbury sie sich vorstellte. Dadurch wurde er in seinem Irrglauben bestärkt.
    Um so schlimmer wirkte sich nach seiner Rückkehr in das, was er Gegenwart nannte, die Erkenntnis aus, daß er in einer Welt gelandet war, zu der er keinerlei Beziehung hatte. Eine beliebige aus der nahezu unendlich großen Zahl möglicher Welten, mit grünem Rasen, violettem Himmel und würfelförmigen Häuschen, in denen lauter Leute wohnen, die Nancy und Elmer Danbury wie aus dem Gesicht geschnitten sind.
    Armer Paul, ist man versucht zu sagen. Aber Pauls Motive waren weder edel noch sinnvoll. Bedauern und Mitleid sind daher fehl am Platz. Der Wahnsinn war für Paul Danbury von vornherein die einzig tragbare Lösung seiner Probleme.

 
2. Teil
 
VOM ANFANG, DER NACH DEM ENDE KAM
     
    Da wir nun zu wissen glauben, daß das menschliche Zeitempfinden nichts anderes ist als der Reflex, den das Passieren verschiedener Universalzustände oder Universen im Bewußtsein des Menschen erzeugt, fällt es uns nicht schwer, das Empfinden für Zeitablauf als das zu identifizieren, was es wirklich ist: eine Konvention, ein Übereinkommen, das der früheste reflektierende Verstand mit sich selbst geschlossen hat, um sich in der Umwelt besser zurechtzufinden.
    Dieser Konvention zufolge glaubt der Mensch, daß es in jeder Sequenz von Ereignissen ein Früher und ein Später geben müsse, und daß die späteren Ereignisse ein Folgeprodukt der früheren sein können, nicht umgekehrt. Dieser Glaube hat seine Berechtigung, solange das Bewußtsein nach den Regeln der Konvention arbeitet, solange es nicht durch innere oder äußere Umstände veranlaßt wird, die Regeln über Bord zu werfen, wie es zum Beispiel in den Gehirnen seelisch oder nervlich Kranker bisweilen geschieht.
    Oder auch im Falle des Testpiloten Richard McHenry, dessen Bewußtsein unter dem Einfluß tödlicher Furcht die Regeln der Konvention aufgab und sich seinen eigenen Eindruck von den Zusammenhängen des Zeitablaufs bildete. Und schließlich im Falle des Raumfahrers Ohl Pommeroy, bei dem die Wirkung eines fremdartigen Medikaments das Gehirn von der Fessel der Konvention befreite – denn eine Fessel ist sie nun

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