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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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war zu laut. Paul war stehengeblieben. Der Mann mit den Overalls war sein Großvater, Elmer S. Danbury, eben dreißig Jahre alt, jünger also als Paul selbst. Hier, auf diesem Gelände, würde Danbury’s Trucking & Hauling entstehen. Die alten Lastwagen bildeten den Anfang von Elmers Fahrzeugpark. Den anderen Mann kannte Paul nicht.
    Er trat zur Seite, als ein schnittiger Sportwagen die Lydall entlangkam und auf den Hof einbog. Auch die Frau am Steuer war Paul Danbury von alten Photographien her bekannt. Als sie ausstieg, musterte er sie genau. Nancy Danbury, seine Großmutter. Mittelgroß, schlank, nett zurechtgemacht, ein wenig flachbusig, aber hübsch: neuenglisches Kleinstadtmädchen, bessere Schicht. Sie war gekommen, um ihren Mann von der Arbeit abzuholen. Paul kehrte um und wanderte langsam zu seinem Wagen zurück. Er fuhr in Richtung Talcotville und hielt an einer einsamen Stelle im Wald, um sich der überschüssigen Alkoholika zu entledigen, die sich noch in seinem Kofferraum befanden. Als es dunkel wurde, war er wieder im Motel und bezahlte seine Rechnung. Vom Motel fuhr er zu Carters Chevrolet und gab den Wagen zurück.
    Somit war alles aufgeräumt. Morgen würde die Polizei keinen Anlaß finden, ein unbezahltes Motelzimmer und einen abhanden gekommenen Leihwagen mit dem Mord auf dem Friedhof in Verbindung zu bringen. Paul S. Danbury war zufrieden mit sich selbst. Gleichzeitig wuchs die Erregung in ihm. Die kommenden Stunden würden die Entscheidung bringen.
     
    Hinten hinaus hatte das Appartement der Zavecchis einen Balkon, zu dem eine alte Feuerleiter hinaufführte. Die Rückwand des Gebäudes grenzte an einen Hof, den ein in der Nähe gelegenes Eisenwarengeschäft als billigen Abstellplatz für Behälter und Kartonagen aller Art betrachtete. Hinter den ineinander verschachtelten Kartons hatte Paul Danbury ein halbwegs bequemes Versteck gefunden. Bis kurz nach Mitternacht war es oben auf dem Balkon der Zavecchis ziemlich laut gewesen. Dann jedoch hatte man vom Nachbarhaus her scheltende Stimmen gehört, und ein paarmal hatte im Wohnzimmer hinter dem Balkon auch das Telephon geläutet. Auf das Drängen empörter Lärmbelästigter hin hatten Elmer und Giulio sich ins Innere der Wohnung zurückgezogen. Man hörte sie durch das offene Fenster noch immer lärmen. Aber das Geräusch war jetzt gedämpft, und die Nachbarn konnten schlafen.
    Gegen zwei Uhr morgens mußte Paul ein wenig eingedöst sein. Ein scharfes Klappern schreckte ihn auf. Einer der beiden Trunkenbolde hatte eine Ladung leerer Bierdosen in den Hof hinabgeworfen. Paul sah auf die Uhr. Es ging auf halb vier. Anderthalb Stunden noch, und Giulio und Elmer würden auf die großartige Idee kommen, zum Friedhof zu gehen. Eine Zeitlang war es oben still. Fast schon befürchtete Paul, die Überlieferung habe die Tatsachen verfälscht und die beiden Saufkumpane seien in Wirklichkeit im Rausch eingeschlafen, anstatt sich um die Schmückung der Gräber zu bemühen. Da hörte er plötzlich laut und deutlich in der Stille der Nacht die Stimme seines Großvaters:
    »Heh, Giulio … reiß dich zusammen! Hier wird nicht geschlafen!«
    Danach ein gähnendes Brummen und schließlich Giulios müde Stimme:
    »Also dann … pr-rossst!«
    Um vier Uhr dreißig zeigten sich die ersten Spuren des Morgens. Es wurde allmählich hell. Um fünf Uhr erschienen Giulio und Elmer auf dem Balkon und machten sich umständlich an den Abstieg über die Feuertreppe. Unten angekommen, faßten sie sich um die Schultern und wankten brüderlich durch den Seitenausgang des Hofes hinaus auf die Straße. Blitzschnell war Paul aus seinem Versteck hervor. Mit schwerfälligem Schritt, wie ihn etwa ein Betrunkener haben müßte, stieg er die Feuertreppe hinauf. Die Tür zum Wohnzimmer war offen. Paul wandte sich nach rechts in die Küche. Die Information, wo Giulio Zavecchi dieser Tage seine Pistole aufbewahrte, verdankte er einem unwahrscheinlichen Glückszufall. Er zog die Schublade auf, fand die Waffe mit dem ersten Griff und vergewisserte sich, daß sie geladen war.
    Eine verschlafene Stimme aus dem Hintergrund der Wohnung ließ ihm das Blut in den Adern stocken.
    »Giulio … sei tu?«
    Leonas Stimme! Was sollte er tun? Davonlaufen? Er durfte kein Mißtrauen wecken, keine Spuren hinterlassen. Aber er sprach kein Italienisch. So stieß er denn ein zustimmendes Knurren und Brummen aus und rülpste einmal laut und vernehmlich. Das schien Leona zu genügen. Sie stellte keine weiteren

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