Die Zeitwanderer
wie du unzweifelhaft verstehen kannst.« Cosimo warf die Kleider aufs Bett und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. »Ich fürchte, wir können im Moment für dich nicht viel tun«, meinte er und blickte Kit an. »Aber fang damit an.« Er gab seinem Urenkel ein weißes Leinenbündel.
Kit schüttelte die Kleidung aus dem Bündel und hob ein riesiges, langärmeliges weißes Hemd hoch, das schlaff herabhing und so breit wie lang war. »Sag, dass du das nicht ernst meinst.«
»Tut mir leid, alter Kamerad. Morgen werden wir dir etwas Besseres besorgen. Doch im Augenblick müssen wir uns beeilen. Also - hopp, hopp!«
Während Cosimo sich ankleidete, legte Kit den Mantel ab, zog sein Hemd aus und streifte sich das gewaltige Gewand über, das so groß wie eine Robe war und ihm beinahe bis zu den Knien reichte. Er versuchte, die Schnürbänder an den Ärmeln festzuziehen. Das stellte sich aber als unmöglich heraus, und so gab er es auf.
»Jetzt das«, sagte sein Urgroßvater und reichte ihm eine ausgebeulte wollene Kniehose.
Nachdem Kit sich seiner Jeans entledigt hatte, stopfte er seine Beine in die Kniehose, zog sie hoch und band sie am Hosenlatz zusammen. Die Kniehose war ihm um einiges zu groß, doch schwer und warm. Als Nächstes streifte er dunkle wollene Socken über, die auf Kniehöhe verschnürt wurden.
»Annehmbar«, merkte Cosimo an, der seinen Urenkel kritisch musterte. »Ein Jammer, dass wir nichts wegen der Schuhe unternehmen können.« Er betrachtete die einfachen braunen Schnürschuhe von Kit. »Nun gut, daran lässt sich nichts ändern. Und jetzt zieh das an.« Er gab Kit eine ärmellose, hüftlange Jacke - ein Wams aus feinem Tuch mit einer dichten Reihe kleiner Silberknöpfe.
»Wirst du mir nun etwas über diese Männer erzählen?«, fragte Kit.
»Wir nennen sie die Burley-Männer«, antwortete sein Urgroßvater. »Wie kann man sie am besten beschreiben? Diebe, Schurken, Halunken und Straßenräuber. Sie stehen in Diensten eines gewissen A. P. Burley; er ist der Drahtzieher hinter ihren schändlichen Taten.« Cosimo steckte seine Arme in ein purpurfarbenes Satinwams und begann, es zuzuknöpfen.
»Organisiertes Verbrechen, was?«, hakte Kit nach.
»Genau«, pflichtete Cosimo ihm bei. »Die Burley-Männer kennen nur ihr eigenes Recht und Gesetz; und ein jeder macht einen weiten Bogen um sie. Sie fürchten weder Gott noch Teufel; jeder Einzelne von ihnen ist so heimtückisch wie ihr Anführer. Sie haben einen natürlichen Hang zu schwerer Körperverletzung, und das Morden ist ihnen zur zweiten Natur geworden.« Er zog einen kurzen Mantel an, der dem Wams ähnelte, welches er Kit gegeben hatte. »Sie sind so grausam, wie die Nacht lang ist, und treulose Unmenschen, die keinem Gutes wollen: Selbst der Beste von ihnen würde nicht zögern, seine Mutter für zwei Pence dem Teufel zu verkaufen. Sie sind genau so durchtrieben und hinterhältig wie erbarmungslos - erst recht, wenn sie glauben, dass man etwas hat, das sie besitzen wollen.«
»Wie deine Karte.«
»Eben.«
Kit dachte darüber nach, was sein Urgroßvater erzählt hatte. Es klang alles recht plausibel. »Und was war das für ein Tier? Diese verdammte große Katze?«
»Panthera leo spelaea«, erklärte Cosimo und band eine Schnur am Sockenhalter fest, der einen seiner langen schwarzen Strümpfe in Kniehöhe an seiner ebenfalls schwarzen Bundhose hochhielt. »Besser bekannt als Höhlenlöwe - eine Kreatur aus der Epoche des Pleistozäns. Er entstand vor etwa ... oh, dreihunderttausend Jahren. Oder so ungefähr.«
»Ein Höhlenlöwe«, wiederholte Kit ungläubig.
»Ja, allerdings ein kleiner«, bestätigte sein Urgroßvater. Er eilte ins andere Zimmer und kam mit einem weiten Halskragen aus Spitze zurück, den er sich umständlich im Nacken festband.
Bei dem Gedanken daran, dass sie nur mit knapper Not entkommen waren und was diese säbelförmigen Klauen womöglich angerichtet hätten, überkam Kit im nachhinein eine Gänsehaut. Rasch wechselte er das Gesprächsthema. »Das, was du da trägst, sieht aus wie die Kleidung eines wohlhabenden Mannes.«
»Eines reichen Kaufmanns, um genau zu sein«, erwiderte Cosimo und reichte Kit einen breitkrempigen Filzhut. »Die Leute hier glauben, ich sei so etwas wie ein Magnat, der ständig mit Schiffen - und was weiß ich nicht alles - reist und sich deshalb auch nicht sehr oft in der Gegend aufhält. Es ist eine recht nützliche Verkleidung. Wir werden uns etwas ausdenken müssen, um dich und deine
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