Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
um nur einige zu nennen. Kurz gesagt, er ist ein Universalgelehrter und Wissenschaftler ersten Ranges.«
    Lord Castlemain klopfte leise mit seinem Spazierstock auf den Boden und verbeugte sich tief. »Wie immer, teurer Freund, überschreiten Eure Schmeicheleien die Grenzen des Schicklichen.«
    »Mitnichten. Es ist nichts anderes als die reine Wahrheit!«, entgegnete Cosimo feierlich. »Wohlan! Ich glaube, dass ich Euch um das Vergnügen Eurer Gesellschaft beim Dinner heute Abend gebeten habe. Wollt Ihr mir die Ehre erweisen und an meinem Tisch zugegen sein, Sir Henry?«
    »Nichts würde mich mehr erfreuen, mein lieber Freund. Ich bin fürwahr deswegen den ganzen Tag in größter Vorfreude gewesen. Allerdings muss ich darauf bestehen, dass es in diesem Falle mir gebührt - und dieses Vergnügen werdet Ihr mir gewiss nicht nehmen wollen -, Euch zum Dinner einzuladen.« Cosimo öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Sir Henry hob energisch die Hand. »Nein, Sir! Ein Nein will ich nicht hören. Kommt, lasst uns nicht wegen Bagatellen streiten.«
    »Was kann ich darauf erwidern?« Cosimo verneigte sich aus Hochachtung vor den Wünschen seines Freundes. »Wir akzeptieren Eure Gastfreundlichkeit.«
    »Hervorragend! Ich hoffe doch, dass Ihr Hunger habt, werte Sirs.«
    »Einen Bärenhunger!«, brüllte Cosimo - so laut, dass Kit zusammenfuhr. Aber kein anderer schien sich auch nur im Geringsten daran zu stoßen. »Aber könnten wir vielleicht zuerst an der Pudding Lane vorbeifahren? Ich muss diese Besorgung machen, von der wir gesprochen haben.«
    »Aber sicher, Sir«, antwortete Sir Henry. »Wir sollten nicht einen Moment des Aufschubs erdulden.« Mit emporgerecktem Stock drängte er sich durch die Menschenmenge. »Bitte, meine Freunde, hier entlang, wenn es Euch genehm ist. Mein Pferdewagen harrt unser.«
    Kit folgte den beiden Männern. Er stand unter dem starken Eindruck, dass er mitten in einen Filmset geraten war, an dem gerade Dreharbeiten durchgeführt wurden: eine Empfindung, die ihm einige Mühe bereitete. Gleichwohl musste er sich eingestehen, dass er völlig eingenommen war von dem sehr förmlichen und altmodischen Verhalten des Mannes. Selbst in seinen wildesten Träumen hatte er sich nie vorstellen können, dass er jemals irgendjemanden tatsächlich die Worte »Mein Pferdewagen harrt unser« sagen hören würde - und zwar im buchstäblichen Sinne gemeint.
    Das fragliche Gefährt erwies sich als eine gut ausgestattete Kutsche mit einer geschlossenen Karosserie und großen Fenstern. Letztere blieben geöffnet, da das Wetter in dieser Nacht recht schön war. Kit nahm gegenüber den beiden älteren Männern Platz, die sich auf die hintere Bank gesetzt hatten, und schmiegte sich in das kostbare gepolsterte Leder. Die Tür wurde geschlossen, und der Fahrer schnalzte mit der Peitsche. Bald rumpelten sie durch die verdunkelten Straßen des alten London, begleitet vom melodischen Trappeln zweier gewaltiger, zueinander passenden Fuchsstuten. Dies, dachte Kit, der sich allmählich wie ein rangniedriges Mitglied des Königshauses fühlte, ist die einzige zivilisierte Art des Reisens.
    Kaum war ihm das durch den Kopf gegangen, kam ihm ein anderer Gedanke: Nichts von alledem ist wirklich.
    Das führte unvermeidlich zu einer dritten Überlegung: Du bist gefallen und hast dir den Kopf an einem Felsen aufgeschlagen. Wenn du im Krankenhaus wieder aufwachst, werden drei Wochen vergangen sein; und du wirst an ein Beatmungsgerät angeschlossen sein - mit Röhren, die in deine Nase führen, und Drähten, die an deinem gebrochenen Schädel befestigt sind.
    Bestimmt kam diese Erklärung der Wahrheit näher als diejenige, gemäß der er gezwungen war, sich einzugestehen, dass alles, was er hier erlebte, in irgendeiner Weise wirklich passierte.
    Trotzdem - waren diese Pferde nicht ein hübscher Anblick?

SECHSTES KAPITEL

    D ie Kutsche klapperte die düsteren Straßen eines völlig fremden London entlang. Die eisernen Radkränze polterten über die unebenen Kopfsteine, bis der Wagen langsamer rollte und schließlich vor einem baufälligen strohgedeckten Haus in einer engen Straße mit niedrigen Fachwerkgebäuden anhielt.
    »Bleibt bitte sitzen, Gentlemen«, sagte Cosimo. »Es dauert nur einen Augenblick.« Er stieg aus und eilte zu der Tür aus groben Brettern, auf der ein mit ungelenker Hand geschriebener Aushang prangte: Thos. Farryner, Bäcker.
    Cosimo blickte flüchtig nach links und rechts die Straße herunter, bevor er mit der

Weitere Kostenlose Bücher