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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Kompliment von sich. »Unsinn, Sir! Gern geschehen.«
    »Ich habe gehofft, Ihr würdet vielleicht eine Idee haben, wo wir unsere Suche beginnen sollten«, erklärte Cosimo.
    »Natürlich. Sagt mir: Wo genau ist die junge Frau verloren gegangen?«
    »Im Stane Way«, antwortete Cosimo.
    Einen Moment lang schürzte Sir Henry die Lippen und nahm dann einen Schluck Portwein. Nachdem er einen Augenblick lang nachgedacht hatte, seufzte er und meinte: »Nun, das musste wohl so sein, nehme ich an.«
    »Ist das schlecht?«, wollte Kit wissen.
    »Man könnte es so ausdrücken, dass es die Schwierigkeit unserer Aufgabe in unübersehbarer Weise vervielfältigen wird.«
    »Warum ist das so?«
    »Der Stane Way ist eine besonders alte und aktive Kreuzung ...«, begann Cosimo.
    »Mehr ein Rondell als eine Kreuzung!«, fuhr Sir Henry fort. »Es gibt mindestens fünf Hauptkreuzungen entlang dieser Linie - wenn nicht noch mehr. Eure Freundin hat sich vermutlich bei einer dieser Hauptkreuzungen von Euch getrennt. Stellt Euch den Stane-Ley als einen Korridor mit geöffneten Türen vor, die zu anderen Räumen führen. Und jeder dieser anderen Räume hat gleichfalls Türen. Doch es lässt sich nicht sagen, wohin die Türen dieser anderen Zimmer führen mögen. Jedenfalls warne ich Euch.« Er sprach nun mit großem Ernst, und sein Bart zitterte bei diesen Worten. »Es wird gefährlich sein. Es gibt Kräfte, die uns Übles wollen ...«
    »Wie jene Männer?«, fragte Kit.
    »Außerhalb von Sefton sind wir Burley-Männern begegnet«, berichtete Cosimo.
    »Ah!«, entfuhr es Sir Henry. »Der Feind schnüffelt also wieder herum.«
    »Sie wissen von meinem Teil der Karte.«
    »Das wissen sie?«, rief Sir Henry aus. »Das ändert natürlich alles.«
    Der Edelmann wurde nachdenklich. Kit und Cosimo sahen sich beunruhigt an. Schließlich nickte Sir Henry vor sich hin und sagte: »Ich habe das Gefühl, dass ich Euch beide warnen muss. Burleigh und seine Rohlinge stellen nicht die einzige Gefahr dar, der wir begegnen werden. Es gibt noch weitere. Nun, Ihr müsst Euch damit abfinden, dass es wohl keine schnelle Suche sein wird. Solch ein Unterfangen wird ein hohes Maß an Geduld verlangen.«
    Kit dachte darüber nach. »Gibt es keine Möglichkeit, die Suche zu beschleunigen? Die Sache ist die, dass Wilhelmina keine sehr starke Persönlichkeit ist. Sie ist kaum in der Lage, das Alltagsleben zu meistern: Etwas wie das hier könnte sie umbringen. Ich fühle mich entsetzlich, dass ich sie darin verwickelt habe; und wenn ihr irgendetwas passiert, wird es meine Schuld sein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie sie es anstellen wird, auf eigene Faust zu überleben.«
    »Wie dem auch sei - wir dürfen nicht das Risiko eingehen, uns kopfüber in eine Rettungsaktion hineinzustürzen«, erklärte Sir Henry. »Alea iacta est.«
    »Sir?«, hakte Kit erstaunt nach.
    »Der Würfel ist gefallen.«
    »Aber echt«, sagte Kit.

ZWEITER TEIL

SIEBTES KAPITEL

    D er peitschende Regen und ein heftiger Windstoß ließen Wilhelmina in einer trüben Pfütze zurück. Keuchend stand sie da, nass bis auf die Haut. Mit dem Handrücken wischte sie sich das Wasser aus den Augen und schaute sich um. Doch augenblicklich schloss sie wieder die Lider - eine instinktive Reaktion und der verzweifelte Versuch, die Kontinuität ihrer Wahrnehmungen aufrechtzuerhalten, angesichts einer Veränderung, die so einschneidend war, dass sie die Wirklichkeit selbst in Stücke zersplittern ließ.
    London war verschwunden.
    Anstelle der lebendigen, ständig weiter aufstrebenden Metropole mit ihren gewaltigen Menschenmengen war um Wilhelmina herum eine ländliche Wildnis: regennasse braune Felder und ein herbstlicher Himmel mit tief stehenden Wolken. Während dieses kürzesten aller Blicke hatte sie genug gesehen, um eines zu wissen: Was auch immer ihr widerfahren war, es bedrohte nicht nur ihr eigenes Selbstverständnis, sondern auch ihr gesamtes Weltbild. Es war ein fürchterlicher Schock, und in dieser Verfassung verhielt sie sich so, wie es jeder andere auch täte: Ihr Mund öffnete sich, und sie begann zu schreien.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und jammerte laut; dem Himmel öffnete sie ihre Seele und heulte ihr Entsetzen in alle vier Winde hinaus. Sie schrie und schrie immer weiter, bis schwarze Punkte vor ihren Augen tanzten. Und selbst dann hörte sie nicht auf zu schreien, in lauten, abgehackten, hässlichen Explosionen, welche die Luft zerrissen und ihr Gesicht rot anlaufen

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