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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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ließen. Als sie schließlich nicht mehr schreien konnte, ballte sie ihre Hände zu Fäusten und stampfte mit den Füßen auf. Mit ihren Stiefeln spritzte sie den Matsch hoch, bis ihre Kräfte schließlich verbraucht waren und sie zusammensackte. Sie verfiel in ein Wimmern und Stöhnen und vergoss Tränen wegen ihrer zerstörten Welt.
    Ein Teil ihres Verstandes hielt hartnäckig Abstand zum Rest ihrer Persönlichkeit und weigerte sich, dem Wahnsinn zu erliegen. Schließlich setzte sich dieses pragmatische Bewusstsein durch und sagte doch tatsächlich: Reiß dich zusammen, Mädchen. Du hast einen üblen Schock erlitten. Okay. Aber was wirst du jetzt deswegen unternehmen? Willst du den ganzen Tag im nassen Dreck sitzen und wie eine Zweijährige ausflippen? Es ist kalt hier draußen; du wirst dich zu Tode frieren. Nimm deine fünf Sinne zusammen und ergreif die Initiative.
    Zunächst schüttelte sie das Wasser von ihren Händen. Dann ging sie auf die Knie, drückte ihre Hände ins Kreuz und sah sich um. Ein rascher, prüfender Blick bestätigte ihr, dass sie sich auf einem einfachen Weg befand, der mitten durch eine trostlose Landschaft aus kultivierten Feldern führte, und dass sie mutterseelenallein war.
    »Kit?«, rief sie.
    Nur das einsame Krächzen einer niedrig fliegenden Krähe.
    Wenn ich den Kerl in die Finger kriege, dachte sie und erhob sich unsicher auf ihre Füße. Ich zerschneide ihn ganz kleine Stücke. »Kit!«, brüllte sie - und dann traf es sie unvermittelt: Wie eine Flutwelle stieg der Brechreiz in ihr hoch, sodass sie sich mitten auf dem Weg übergeben musste. Sie erbrach noch ein weiteres Mal, und dann fühlte sie sich besser. Mit ihrem Jackenärmel wischte sie sich den Mund ab und stapfte anschließend auf eine Feldmarkierung zu, die sie in einiger Entfernung erkennen konnte.
    Während sie so vor sich hin marschierte, sagte sie sich selbst, dass etwas sehr Seltsames passiert und alles die Schuld ihres Freundes, dieses Versagers, sei - was auch immer der Hintergrund dieser unerklärlichen Vorgänge sein mochte. Dieser Gedanke tröstete sie nicht so sehr, wie sie vielleicht gehofft hatte, und auch auszumalen, was sie alles mit ihm anstellen würde, wenn sie ihn zu fassen kriegte, half ihr nicht wirklich weiter. Die ungeheure Fremdartigkeit ihrer nie für möglich gehaltenen Situation ließ alles andere klein und unwichtig erscheinen.
    Menschen sprangen nicht einfach so von einem Ort zu einem völlig anderen - ohne dass irgendetwas dazwischen war. So etwas gab es nicht. Sie war sich sicher gewesen, dass Kit irgendwas im Schilde geführt hatte. Aber niemals - nicht einmal eine Nanosekunde lang - hatte sie sich vorgestellt, dass er möglicherweise irgendeine durchgeknallte Version der Wahrheit erzählen würde. Und dennoch: Hier war sie nun mitten im Nichts - fortgerissen aus den Straßen der Großstadt, in denen es von Menschen nur so wimmelte, und abgesetzt auf einem einsamen Landweg. Es war mehr oder weniger so, wie Kit behauptet hatte. Somit musste dies Cornwall sein. Oder Devon.
    Sie erreichte den Markierungsstein und hielt an. Nichts anderes war zu sehen als leicht gewellte Hügel, von denen einige mit Wald und andere mit Gras bedeckt waren, und gepflügte Felder, die sich in alle Richtungen ausdehnten. Sie hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen, bis sie ein Bauernhaus oder ein Dorf erreichen würde. Dort könnte sie irgendjemanden fragen, ob sie ein Telefon benutzen dürfe, um sich ein Taxi zu rufen.
    Sie schlang die Arme um den Oberkörper und trottete weiter. Nach einer kleinen Weile sah sie einen jener altmodischen hölzernen Wegweiser mit mehreren Schildern, die in verschiedene Richtungen zeigten. Bei diesem Anblick machte ihr Herz einen Sprung, und sie legte einen Schritt zu. Während sie darauf zueilte, erkannte sie, dass der Wegweiser sich an eine Art größerer Landstraße befand. Zumindest besaß sie eine Straßendecke, bestehend aus viereckigen Pflastersteinen, die von Hand gelegt worden waren.
    Mina trat an den Wegweiser heran, um die Angaben darauf zu lesen. Die verblasste Schrift war in zwei Sprachen, von denen sie keine erkannte. Das ist bestimmt Kornisch, dachte sie, und eine damit verwandte Sprache. Vielleicht Gälisch? Oder waren diese beiden Sprachen gleich? Wie dem auch sei, die Entfernung zum nächsten Ort, der auf dem grau gewordenen, verwitterten Wegweiser angezeigt wurde, war mit »12« angegeben. Wahrscheinlich waren Meilen gemeint. Oder etwa Kilometer? Sie hoffte,

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