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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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voller Freude über ihre Zuversicht und Begeisterung.
    »Ich wäre nicht überrascht, wenn wir in einem Monat für den kaiserlichen Hof backen würden.«
    »Für Kaiser Rudolf höchstpersönlich?« Engelbert keuchte auf. »O ja, das wäre was!«
    Eine kaiserliche Urkunde für Hoflieferanten würde in der Tat eine Erfolgsgarantie darstellen. Damit wäre sichergestellt, dass alle rechtschaffenen, dem Kaiser treu ergebenen Kunden vor dem Eingang der Bäckerei mit dem einfachen Geschäftsnamen Bei Etzel Schlange stehen würden.
    An einem strahlenden, frischen Morgen - drei Wochen nach ihrer Ankunft in der Stadt - eröffneten die beiden ihr Geschäft und warteten auf die Kundschaft, durch die sie ein Vermögen verdienen würden. Die erste Arbeitswoche kam und ging, ohne dass auch nur das geringste Interesse bei den potenziellen Kunden geweckt wurde. Die zweite Woche folgte und verstrich auf ziemlich die gleiche Weise. Ein paar Neugierige oder Unerschrockene erschienen und wurden auf kunstvolle Weise dazu überredet, Engelberts leichteres, weicheres und schmackhafteres Brot zu probieren. Diese Leute beteuerten, angenehm überrascht, beeindruckt und mit der Ware zufrieden zu sein.
    »Sie werden zurückkommen«, sagte Wilhelmina zu Etzel. »Mit jedem Häppchen fangen wir einen Fisch. Wir müssen nur das Netz etwas weiter auswerfen; das ist alles.«
    Nach diesen Worten kratzte sich Etzel am Kopf. Doch Mina verspürte keinerlei Zweifel: Sobald sich weitergesagt hatte, dass ein neuer Bäcker mit köstlichen, neuartigen Rezepturen gekommen war, würden sie von Aufträgen und Kunden förmlich überschwemmt werden.
    Die Zeit verging weiter - doch Etzels Brot, so schmackhaft es unzweifelhaft war, blieb immer noch ein Ladenhüter. Als die dritte Woche wie die beiden vorhergehenden zu verstreichen drohte, spürte Wilhelmina, dass sie zunehmend verzweifelt wurde. Sie nahm mehrere Laibe und marschierte mit ihnen die Straße hinab zum Altstädter Ring, wo sie an die Vorbeigehenden kostenlos frische Brotscheiben verteilte. Einige dieser Leute konnte sie dazu überreden, zum Laden zu gehen und einen ganzen Laib zu kaufen. Erfreulicherweise konnten die beiden am Ende des Tages zum ersten Mal einen Gewinn verbuchen.
    Betrüblicherweise sollte es auch das letzte Mal sein, dass sie nach der Schließung der Fensterläden Münzen in der Geldkassette hatten - zumindest das letzte Mal für eine sehr lange Zeit.
    Ihr Problem, so begann Wilhelmina zu argwöhnen, hatte zwei unterschiedliche Ursachen. Erstens waren sie Ausländer: Daran kamen sie nicht herum. Sie waren Ausländer und wurden von den geachteten Bewohnern Prags als solche angesehen. Zweitens erweckte der Standort ihres Geschäfts, das an einer der alten, unsympathischen Straßen der Stadt gelegen war, bei den gottesfürchtigen Bürgern, die sie in ihren Laden zu locken hofften, weder Vertrauen noch Neugierde. Es gab möglicherweise auch noch andere Gründe, die Mina nicht bewusst waren. Doch wie auch immer sie ihre Situation betrachtete: Alles schien darauf hinzuweisen, dass sie beide bei der Wahl des Standorts einer katastrophalen Fehleinschätzung erlegen waren.
    Während ein Tag nach dem anderen vorüberzog und der leuchtende Herbst sich langsam in die kalte, trostlose Düsternis des Winters verwandelte, verblasste und verwelkte auch Wilhelminas Zuversicht. Mit Schrecken begann sie jeden grauen Tag und beendete ihn mit einem Gefühl grimmiger Erleichterung, denn zumindest würde sie ihm nicht wieder entgegensehen müssen. Engelbert bemühte sich, fröhlich zu bleiben, doch sein natürlicher Optimismus wurde durch jeden erneuten Misserfolg weiter ausgehöhlt. Für Wilhelmina war das am härtesten zu ertragen - zu beobachten, wie die große, gute, freudige Seele nach und nach dahinschwand und einer immer größer werdenden, düsteren Verzweiflung Platz machte, während das so liebevoll gebackene Brot ungekostet, unverkauft und unverspeist blieb.
    Die vielversprechenden Hoffnungen, auf denen sie wie auf günstigen Winden in wunderschöner Weise dahingeeilt waren, schienen auf einen Kollisionskurs mit der heimtückischen Küste der harten, bitteren Realität eingestellt zu sein. Und wenn kein Wunder geschah, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Etzels und Minas schöner, kleiner Laden spurlos untergehen würde wie ein sturmgepeitschtes Schiff, das an den Felsen zerschellte.

ZEHNTES KAPITEL

    K it, der sich gähnend von einer ruhelosen Nacht auf einer klumpigen Pferdehaarmatratze

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