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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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zum Zusammenbruch aller Möglichkeiten - mit Ausnahme von der, die ausgewählt wurde. Man kann sagen, dass der freie menschliche Wille die rohe, unbestimmte Potenzialität zur konkreten Wirklichkeit kristallisiert.«
    »Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte Kit, der sich darum mühte, alles zu begreifen: »Nehmen wir einmal an, ich wache eines Morgens auf und stehe vor einer Wahl: Ich kann zu einem Fußballspiel gehen oder den wöchentlichen Einkauf erledigen. Beide Sachverhalte existieren als potenzielle Geschehnisse, richtig?«
    »Genau, und darüber hinaus noch viele andere mehr: Alle Handlungen, die du vielleicht an diesem Tag ausführst, existieren als eine Wolke purer Potenzialität.«
    »Wenn ich mich jedoch entscheide, zum Spiel zu gehen, brechen alle anderen Möglichkeiten in sich zusammen, nicht wahr?«
    »Ja, denn alle Dinge, die du nicht tust, können für dich nicht existieren. Lediglich der Weg, den du wählst, existiert für dich als Realität.«
    »Was passiert mit den anderen Wegen?«, wollte Kit wissen. »All die anderen Möglichkeiten - was geschieht mit ihnen? Verschwinden sie einfach, oder was?«
    »Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, auf dieses Thema einzugehen«, erwiderte Cosimo. »Aber da du darauf bestehst ... Dann versuch, am Ball zu bleiben. Es gibt noch eine andere Denkrichtung, und sie behauptet, dass die Existenz aller Möglichkeiten für jede gegebene Handlung oder Entscheidung fortdauert.«
    »Du meinst -«, begann Kit, doch sein Urgroßvater brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Bleiben wir bei unserem Beispiel«, fuhr Cosimo fort. »Nehmen wir an, du hast die Wahl, zum Spiel zu gehen oder einzukaufen. Also, entsprechend dieser anderen Denkrichtung geschehen beide Sachverhalte. Du entscheidest dich, den wöchentlichen Einkauf zu erledigen - das ist deine bewusste Entscheidung gewesen, und das wird zu deiner Wirklichkeit. Aber - und das muss erst durch direkte Beobachtung bestätigt werden - es gibt vielleicht eine Welt, in der du stattdessen zum Spiel gehst. Beide Sachverhalte ereignen sich, aber in verschiedenen Welten.«
    »Irre!«, hauchte Kit, als er merkte, dass das schiere Ausmaß der Implikationen seine begrenzte Fassungskraft überstieg.
    »Ich behaupte nicht, dass diese Theorie gültig ist, doch sie stellt einen interessanten Ansatz dar.« Cosimo leerte seinen Pokal, wischte mit dem Ärmelaufschlag seinen Mund ab und erhob sich. »Fertig, Leute? Tempus fugit! «
    Sie verließen das Golden Cross, marschierten durch den Hof und betraten die Cornmarket Street. Obwohl die Sonne untergegangen war, hielt sich am Himmel immer noch ein Lichtschimmer; doch die abendliche Dunkelheit warf finstere Schatten entlang der düsteren Straßen. Ein paar dürre Hunde standen herum und beobachteten sie, als sie zur Straßenkreuzung gingen. Auf einmal spürte Kit, wie die Haut auf seinen Armen unerklärlicherweise kribbelte und sich dort die Haare aufrichteten.
    »Ja, wir haben gerade den Kreuzungspunkt der Oxford-Leys passiert«, erklärte Cosimo, der offenbar bei Kit etwas bemerkt hatte, und zog eine Augenbraue nach oben. »Auch ich habe ein Prickeln verspürt.«
    »Wirklich?«, sagte Kit. »So was ist mir noch nie passiert.«
    »Oh, höchstwahrscheinlich doch«, widersprach sein Urgroßvater. »Ich glaube allerdings, dass du nicht wusstest, was es war. Und deshalb hast du es ignoriert.«
    »Das ist ein gutes Zeichen, junger Kit«, meinte Sir Henry und klopfte leise mit seinem Spazierstock auf den Boden. »Denn es zeigt, dass Ihr ein größeres Gespür für Eure Gabe entwickelt.«
    Sie gingen noch ein kleines Stück weiter die Straße hinunter, bis sie das bekannte College Christ Church erreichten. Vor dem Pförtnerhaus, das sich direkt in dem halb geschlossenen Tor befand, blieben sie stehen. Außerhalb des Häuschens loderten zwei Fackeln in ihren Wandhalterungen.
    »Sir Henry Fayth und seine Gäste wünschen Schatzmeister Cakebread zu sehen, wenn ich bitten darf«, sagte Cosimo zu dem Pförtner.
    Der Pförtner war ein dicklicher Mann mittleren Alters. Er trug eine weite Kniehose, dicke Wollsocken, eine lange Jacke aus verblichenem rotem Brokat und einen randlosen Hut, der wie ein umgedrehter Topf geformt war. Er warf einen Blick auf die Männer vor ihm, erkannte Lord Castlemain und erklärte: »Welch seltener Besuch! Aber natürlich, Sir! Ich werde Euch geradewegs zu ihm bringen.«
    Der Mann hob eine der Fackeln aus der Halterung und schritt um die Ecke. Er brachte

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