Die Zeitwanderer
ihres neuen Geschäftspartners nicht ganz begriff, erklärte sie: »Ich verstehe.«
Zügig marschierten sie weiter zum Altstädter Ring.
»Da hinten!«, verkündete Arnostovi und wies über den Marktbereich hinweg auf die Nordseite des großen Platzes.
Dort stand eine Reihe von hübschen Geschäften, die sich ein mit Kupfer überzogenes Vordach teilten, das die Ladeneingänge vor Wind und Regen schützte. Die Vorderseiten der Ladenlokale waren nach Süden gerichtet und zeichneten sich durch schöne, große Glasfenster aus - von einer Beschaffenheit, wie man sie nur bei sehr wenigen Gebäuden am Platz finden konnte.
»Das da«, sagte Arnostovi und wies mit der Spitze seines Ziegenbartes auf die Ladenlokalreihe.
»Welcher Laden?«
»Der an dem Ende, das dem Uhrenturm am nächsten ist.«
Beim Anblick des Gebäudes weiteten sich Wilhelminas Augen. »Das da?«
»Ja.« Er drehte den Kopf, um auf sie zu schauen, wobei er sein Schritttempo nur geringfügig verringerte. »Was ist los?«
»Nichts! Es ist ... das beste Gebäude am Platz!«
»Das kann man wohl so sagen.« Er beschleunigte wieder seine Schritte.
»Und Ihr gebt es uns?«, fragte sie und kämpfte sich durch das Gedrängel, um wieder zu ihm aufzuschließen.
»Ich gebe Euch überhaupt nichts. Ich biete es Euch zur Miete an, wie wir vereinbart haben.« Kaum hatten sie den Platz überquert, lief er rasch zur Tür des Ladens und holte aus der Ledertasche, die an seiner Seite hing, einen großen Eisenschlüssel hervor. »Kommt. Beeilt Euch! Wir haben nicht viel Zeit.«
Als ob sie seinen Worten Dringlichkeit verleihen wollte, begann die Uhr im großen Steinturm laut die Stunde zu schlagen. Arnostovi schloss die Ladentür auf und öffnete sie weit für Mina, die sogleich eintrat.
Das Erdgeschoss bestand aus einem einzigen großen Raum, in dem es keinerlei Mobiliar gab. Doch was sie sehen konnte, zeugte von Luxus und Qualität: überall Messing und Kristall, auf dem Boden weißer Marmor und Walnusstäfelung an den Wänden, Reihen teurer blauer Fliesen rund um die Fenster und die Tür. In der Mitte des Raums hing ein dreistöckiger Kronleuchter von der bemalten Decke herab; und die östliche Wand wies einen kunstvollen Kachelofen auf - einen Herd, der mit funkelnden weißen und blauen Fliesen ummauert war.
»Nun?«, fragte Arnostovi. »Was denkt Ihr?«
»Es ist wunderschön.«
»Gut. Dann ist es entschieden, ja?«
»Ich würde es natürlich gerne haben. Aber wie teuer ist es?«
Er nahm sein Buch in die Hände und begann, die Seiten durchzublättern. »Die Männer, die kommen, haben fünfundzwanzig Guldiner Miete pro Monat angeboten. Ihr werdet mit dreißig einverstanden sein.«
»Oh, Herr Arnostovi«, erwiderte Mina, »das ist zu viel. Wir werden niemals in der Lage sein, uns das leisten zu können.«
»Vielleicht nicht heute«, räumte er ein. »Aber Ihr werdet es Euch leisten können - und zwar sehr bald.«
»Aber wie ...?«
»Durch Euer geschäftliches Wachstum, das dieser Ort Euch bringen wird. Auch werdet Ihr die Preise erhöhen. Ihr berechnet zu wenig.«
Wilhelmina biss sich auf die Lippen. Voller Zweifel schaute sie sich um. »Ich kann mir nicht vorstellen, was Engelbert dazu sagen würde.«
»Er hat gesagt, dass er Euch vertraut, die richtige Entscheidung zu treffen«, erklärte der raffinierte Geschäftsmann. »Nun bitte ich Euch, mir zu vertrauen.« Er starrte sie an; sein Blick war grimmig und fordernd zugleich.
»Was ist mit Lager- und Wohnräumen?«, fragte sie. »Und mit einer Küche?«
»In den oberen Stockwerken werdet Ihr alles finden, was Ihr braucht«, antwortete Arnostovi. »Ich werde Euch jede Küche bauen und einrichten lassen, die Ihr wünscht.«
Wilhelmina schaute sich um und dachte nach, wobei sich ihre Stirn in Falten legte. Sollte sie es wagen, so viel zu riskieren?
»Mein verehrtes Mädchen«, sagte der Hausbesitzer mit sanfter Stimme, »bedenkt, was ich Euch anbiete. Dieser Laden wird das Stadtgespräch in ganz Prag sein. Die besten Leute werden herkommen. Eure Kundschaft wird jeden Preis zahlen, den Ihr verlangt. Der Erfolg wird beispiellos sein. Doch bitte hört auf mich, wenn ich sage, dass Ihr sofort zustimmen müsst.«
Mit starren Blicken betrachtete Mina den leeren Raum und konnte ihn voller glänzender, polierter Tische sehen, an denen vornehme Damen und Herren saßen, die sich unterhielten und lachten, Kaffee tranken und Etzels gute Backwaren aßen. Es war ein verlockendes Bild, das der Hausbesitzer ihr vor
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